Mariya Gabriel von der EVP unterstützt zwar die Visaliberalisierung, doch "muss die Kommission nachprüfen, ob die Türkei die Bedingungen erfüllt hat". Davor könne es vom Parlament keine Zustimmung geben. Tanja Fajon von den Sozialdemokraten äußerte "große Vorbehalte". Besorgt zeigte sie sich über die fehlenden Maßnahmen der Türkei bei der Definition der Terrorbekämpfung und beim Schutz personenbezogener Daten. Die EU dürfe keine Ausnahmen zulassen, dies würde nur einen Bumerang-Effekt herbeirufen.

Helga Stevens von den Konservativen und Reformern (EKR) sprach von einem Ausverkauf europäischer Werte. Es sei "schändlich, wie untertänig sich die Kommission gegenüber dem Diktator Erdogan verhält. Da muss ich mich ja fremdschämen". Die liberale Abgeordnete Sophia In't Veld warnte vor einer Erpressung durch die Türkei.

Zuvor hatte die niederländische Verteidigungsministerin und EU-Ratsvorsitzende Jeanine Hennis-Plasschaert darauf verwiesen, dass die Visafreiheit "beiden Partnern nützlich ist, nicht nur türkischen Bürgern, die leichter in die EU reisen können, sondern auch EU-Bürgern, die in die Türkei reisen". Sie forderte die türkische Regierung auf, die Anstrengungen zu intensiveren, um die ausstehenden sieben von 72 zu erfüllenden Punkte zu regeln.

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos schloss sich dem an. Er verwies aber gleichzeitig auf Erfolge des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals: "Wir sehen einen deutlichen Rückgang bei den Ankünften von Flüchtlingen - im Herbst waren es täglich 6.000, jetzt sehr viel weniger." Der Trend gehe noch weiter zurück.

Der türkische Europaminister Volkan Bozkir warnte indes vor einem Scheitern des Flüchtlingspaktes mit der EU. Die gesamte bisher erzielte Einigung befinde sich in einem "sehr gefährlichen Moment", sagte er am Mittwoch nach einem Gespräch mit dem Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, in Straßburg. Zugleich lehnte Bozkir vor Journalisten die von der EU geforderte Änderung der umstrittenen türkischen Anti-Terror-Gesetze erneut ab. Die Reform der Anti-Terror-Gesetze gehört zu 72 Kriterien, welche die EU für die von der Türkei angestrebte Visabefreiung fordert. Ankara droht, ohne die Visabefreiung den Pakt zur Rücknahme syrischer Flüchtlinge aus Griechenland platzen zu lassen.

Viel Kritik gab es im Europaparlament bei der Debatte am Mittwoch über den Vorschlag der EU-Kommission zur Dublin-Reform. Vor allem wurde bemängelt, dass das Erstland-Aufnahmeprinzip bleibe und auch der mögliche Asyl-Freikauf mit 250.000 Euro pro Flüchtling stieß auf Ablehnung. Die Brüsseler Behörde verteidigte ihren Plan und kündigte weitere Schritte an.

In der Debatte erklärte Roberta Metsola von der EVP, sei nicht der beste Weg zu einer effizienten Solidarität, wenn sich einige Staaten aus ihrer Verantwortung freikaufen könnten. "Entweder sind alle geeint oder wir stehen überhaupt nicht zusammen". Elly Schlein von den Sozialdemokraten zeigte sich enttäuscht, weil der Dublin-Vorschlag weiter hinter den Erwartungen zurückbleibe. "Dublin muss beseitigt werden und darf nicht künstlich verlängert werden". Das Erstland-Prinzip ergebe sich aus einer Notsituation. "Aber wenn über sechs von 28 EU-Staaten 80 Prozent der Asylanträge bearbeiten müssen, hat es wohl keinen Zweck mehr, von vorübergehendem Notfall zu sprechen. Beim Freikauf stelle sich die Frage, ob man Solidarität überhaupt in Geld ausdrücken könne.

Der lettische Präsident Raimonds Vejonis hat sich indes kritisch zu Reformvorschlägen der EU-Kommission zur Umgestaltung des Asylsystems geäußert. Bei Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU sollte am Prinzip der Freiwilligkeit festgehalten werden, sagte Vejonis am Mittwoch nach einem Treffen mit Regierungschef Maris Kucinskis in Riga.

Auch aus Polen kam Ablehnung. Die Vorschläge der EU-Kommission seien unannehmbar, betonte der Warschauer Außenminister Witold Waszczykowski. Beim gemeinsamen Vorgehen gegen die Brüsseler Vorschläge setze er nicht nur auf die ostmitteleuropäischen Visegrad-Staaten Tschechien, Ungarn und die Slowakei, sondern auch auf die Opposition: "Wenn es um Prioritäten der Außenpolitik geht, sollten wir zusammen stehen", sagte Waszczykowski.

Eine Schengen-Debatte im EU-Parlament in Straßburg hat unterdessen am Mittwochabend zu Kritik an Österreichs Plänen über eine Grenzkontrolle am Brenner geführt. Generell betonten Vertreter von Kommission und Ratsvorsitz die Errungenschaft des Schengenraums und forderten die Rückkehr zu einem normalen Funktionieren so bald wie möglich.

Die niederländische EU-Ratsvorsitzende und Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschart verwies darauf, dass wegen der Migrationskrise mehrere EU-Länder erneut interne Grenzkontrollen eingeführt hatten. Ziel sei die Abschaffung dieser "Hindernisse" bis spätestens Jahresende. Die Kosten durch einen Verlust der Freizügigkeit wären enorm. Der "Fleckerlteppich unilateraler Entscheidungen muss überwunden" werden.