Die geplante Absetzung von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff entwickelt sich zu einem beispiellosen Polit-Krimi. Nachdem zunächst der Interimspräsident der Abgeordnetenkammer, Waldir Maranhao, das Votum des Parlaments für eine Amtsenthebung Rousseffs annulliert hatte, erklärte der Senat, die Entscheidung zu ignorieren.

Demonstrationen

Der Präsident des Senats, Renan Calheiros, will wie geplant am Mittwoch über die Suspendierung beraten und entscheiden lassen. Das teilte er am Montagabend in Brasilia mit. Im Senat zeichnet sich eine klare Mehrheit dafür ab, Rousseff zur juristischen Prüfung der Vorwürfe gegen sie für 180 Tage zu suspendieren. Unklar ist, wie bindend die Entscheidung wäre, wegen der verfügten Annullierung des Votums der Abgeordnetenkammer. Im Land kam es zu Demonstrationen von Gegnern und Unterstützern der Präsidentin, die Lage ist angespannt.

Verfahren möglich gemacht

Am 17. April hatte die Abgeordnetenkammer mit Zwei-Drittel-Mehrheit den Weg für das Verfahren frei gemacht - diese entscheidende Hürde war die Voraussetzung, dass als nächste Stufe der Senat darüber berät. Maranhao schloss sich Vorwürfen von Regierungs-Anwalt Jose Eduardo Cardozo an, wonach die Abstimmung ungültig sei, da die Parteien den Abgeordneten weder deren Votum hätten vorgeben dürfen, noch hätten die Parlamentarier ihr Abstimmungsverhalten vor der Wahl ankündigen dürfen. Er setzte fünf neue Sitzungen zur Beratung des Verfahrens gegen Rousseff an, bevor erneut abgestimmt werden soll.

Opposition klagt

Die Opposition reichte beim Obersten Gerichtshof Klage ein gegen Maranhaos Entscheidung. Das Amtsenthebungsverfahren befinde sich bereits in der Kompetenz des Senats und könne deshalb nicht von der Abgeordnetenkammer rückgängig gemacht werden, sagte der Abgeordnete Pauderney Avelino. Rousseff sagte, sie wisse nicht, was das nun bedeute. Ihr werden Haushaltstricks zur Verschleierung des Defizits und Kreditverstöße vorgeworfen - sie spricht von einem "Putsch" ihrer Gegner. Im Herbst könnte sie dann endgültig abgesetzt werden.

Vizepräsident Michel Temer will sie direkt nach einer Suspendierung beerben und sofort ein Kabinett ohne die seit 2003 regierende linke Arbeiterpartei bilden. Seine Partei, die PMDB, hat mit Rousseff gebrochen. Er will eine Privatisierungswelle und Reformen einleiten.

Korruptionsermittlungen

Maranhao hatte erst vergangene Woche das Amt des Parlamentschefs von dem Erzfeind Rousseffs, Eduado Cunha von der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB), übernommen, er hatte schon am 17. April gegen die Amtsenthebung gestimmt. Seine Partei, die Partido Progressista (PP) droht ihm nun mit dem Rauswurf. Der Oberste Gerichtshof hatte Cunha suspendiert, da er sein Amt genutzt habe, um Korruptionsermittlungen gegen ihn zu behindern - er soll bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Ölkonzerns Petrobras Schmiergelder von bis zu fünf Millionen US-Dollar kassiert haben, was er bestreitet.