Die britischen Reformüberlegungen zur Europäischen Union sind am Dienstag zentrales Thema beim Gespräch zwischen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem Amtskollegen Philip Hammond in London gewesen. Kurz unterstrich dabei, man solle sich nicht vor der Debatte fürchten, betonte jedoch auch, dass er gegen ein "Rosinenpicken" Großbritanniens sei.

"Ich bin klar gegen Rosinenpicken für Großbritannien. Ich bin der Meinung, dass Probleme, die Großbritannien anspricht, die es eventuell auch in anderen Staaten gibt, dass wir die als Europäische Union gesamtheitlich lösen sollten. Ein Rosinenpicken für Großbritannien, das kann nicht die Lösung sein", sagte Kurz nach dem Gespräch mit seinem Amtskollegen gegenüber Journalisten. Die britischen Vorschläge und die Diskussion darüber insgesamt könnten "eine Chance für die EU sein, und wir sollten sie nützen".

Starkes EU-Mitglied Großbritannien

Er hoffe jedenfalls, dass das bis 2017 geplante Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens "einen positiven Ausgang" haben werde. Österreich wolle "ein starkes Großbritannien, aber wir wollen ein starkes Großbritannien in der EU".

Hammond sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kurz, der erwartete Brief von Premierminister David Cameron an die EU-Partner, in dem die britischen Vorschläge dargelegt werden sollen, werde "in den nächsten paar Wochen" verschickt werden, jedenfalls aber vor dem EU-Rat am 9. Dezember, bei dem das Thema ausführlicher diskutiert werden solle. "Für uns ist ganz klar, was die Themen sind" - man habe sie schon oft in unterschiedlichem Rahmen und bei unterschiedlichen Gelegenheiten angesprochen.

Übereinstimmung in vielen Bereichen

Hammond sagte, er sehe Übereinstimmungen in vielen Bereichen mit vielen der EU-Partner. Die schwierigeren Aspekte seien jene, wo es um Sozialleistungen und Migrationspolitik gehe. Hier hätten verschiedene Staaten unterschiedliche Zugänge.

Konkret gefragt nach britischen Vorstellungen im Bereich Sozialleistungen sagte Hammond, im Manifest der Konservativen für die Wahlen im Mai komme etwa vor, dass der Zugang zu manchen Leistungen erst nach vier Jahren offenstehen solle und Beihilfen für Kinder nur für jene Kinder ausbezahlt werde sollten, die sich in Großbritannien befänden. Ob alle Anliegen mit bestehenden EU-Regelungen kompatibel sind, ist laut Hammond nicht sicher und wird derzeit geprüft.

Vertragsveränderungen

Kurz sagte zum Thema Vertragsänderung: "Ich denke, wenn es notwendig ist, ist es möglich." Auch in der Vergangenheit habe es Veränderungen gegeben. Klar sei, dass jene Punkte, die ohne Vertragsänderungen möglich und lediglich politische Entscheidungen seien, "wesentlich leichter umzusetzen" sein würden: "Zum Beispiel ist ein Punkt, wo wir uns sehr einig sind, dass mehr Subsidiarität der EU guttut." Dort, wo Vertragsänderungen notwendig wären, "ist die Sache schon wesentlich schwieriger, aber nicht ausgeschlossen".

Konkret wollte sich Kurz nicht zu möglichen Fristen von vier Jahren äußern. Entscheidend sei, dass die Niederlassungsfreiheit "ein ganz wichtiger Grundpfeiler der Europäischen Union" sei. "Wenn wir die Niederlassungsfreiheit schützen wollen, dann müssen wir aber auch verhindern, dass es die Möglichkeit gibt, sich das beste Sozialsystem auszusuchen."