Wie die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR am Mittwochabend unter Berufung auf neue Dokumente der Enthüllungsplattform Wikileaks meldeten, waren neben der Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch jene ihrer Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) und Helmut Kohl (CDU) betroffen.

Auf der von Wikileaks veröffentlichten Liste steht den Berichten zufolge Merkels Handy-Nummer, die sie bis mindestens Ende 2013 nutzte. Mitte Juni hatte Generalbundesanwalt Harald Range ein Ermittlungsverfahren eingestellt, weil sich nicht nachweisen lasse, dass der US-Geheimdienst NSA Merkel abgehört habe. Von wann genau die jetzt von Wikileaks vorgelegte Liste stammt, ist den Berichten zufolge nicht bekannt.

Auf der Liste stehen demnach insgesamt 56 Nummern, von denen etwa zwei Dutzend aktuelle Nummern aus Merkels engster Umgebung sind. Darunter sind demnach auch die Durchwahlen ihrer Büroleiterin Beate Baumann, des Kanzleramtsministers Peter Altmaier und des für die Koordination der Geheimdienste zuständigen Staatssekretärs Klaus-Dieter Fritsche. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ist den Berichten zufolge unter 'Parl Merkel Advisor Kauder' aufgeführt. Ebenfalls auf der Liste stehe die bis heute gültige Handynummer des früheren Kanzleramtsministers Ronald Pofalla.

Der früheste Eintrag bezieht sich dem Bericht zufolge auf den Kohl-Vertrauten Johannes Ludewig, der einst die Wirtschaftsabteilung im Kanzleramt leitete. Namentlich aufgeführt sind zudem Spitzenbeamte aus der rot-grünen Bundesregierung , darunter der frühere Leiter der außenpolitischen Abteilung, Michael Steiner, der ehemalige Kanzleramtsminister Bodo Hombach sowie Ernst Uhrlau, der damals im Kanzleramt für die Aufsicht über die Nachrichtendienste zuständig war.

Auf der Liste sind dem Bericht zufolge auch mehrere Anschlüsse der Kanzleramts-Abteilungen 2, 4 und 6 zu finden. Diese sind für die Bereiche Außen- und Sicherheitspolitik, für Wirtschafts-und Finanzpolitik sowie die Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst (BND) zuständig.

Reaktion

Wikileaks hatte erst vor einer Woche Dokumente veröffentlicht, denen zufolge 69 Telefonanschlüsse von deutschen Regierungsmitgliedern und deren Mitarbeitern abgehört wurden. Unter den Spionagezielen waren demnach die Bundesministerien für Wirtschaft, Finanzen und Landwirtschaft. Außerdem stellte Wikileaks Dokumente über angeblich aufgezeichnete Telefonate von Merkel online. Als Reaktion auf die Enthüllungen hatte die Regierung den US-Botschafter in Deutschland, John B. Emerson, zu einem Gespräch ins Kanzleramt zitiert.

Die Regierung erklärte am Mittwoch auf Anfrage der "Süddeutschen Zeitung", die jetzt veröffentlichten Wikileaks-Unterlagen würden geprüft. Da ein "Nachweis der Authentizität" fehle, sei "eine abschließende Bewertung derzeit nicht möglich". In Regierungskreisen hieß es informell, man wundere sich in dieser Sache über nichts mehr. Spätestens mit der Entdeckung der NSA-Selektoren in Bad Aibling sei dem Kanzleramt das Ausmaß amerikanischer Spionage mit BND-Unterstützung in Europa, darunter laut Medienberichten auch in Österreich, klar geworden. Beschwerden in Washington seien offenbar sinnlos. Der US-Geheimdienst NSA äußerte sich auf Anfrage der "Süddeutschen Zeitung " nicht zu den neuen Vorwürfen.