Er gilt als das Aushängeschild spanischer Tradition und Folklore: der Stierkampf. Und diese spanischste aller spanischen Traditionen scheidet seit vielen Jahren die Geister. Tierschützer prangern das geschichtsträchtige Duell zwischen Mensch und Stier als Tierquälerei der schlimmsten Art an, Befürworter wollen die "Corrida de Toros" von der UNESCO zum Weltkulturerbe stempeln lassen.

Erst vergangenen Februar forderte die spanische Regierung diese "Heiligsprechung" des blutigen Spektakels ein. "Stierkampf ist Kultur", sagte der konservative Kulturminister Jose Wert bei der Eröffnung des ersten Internationalen Kongresses für Stierkampfkunst und verwies bei dieser Gelegenheit auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der "Corridas". Seine Parteikollegin Maria Cospedal unterstrich die Bedeutung des "wichtigsten Kulturausdrucks" der Spanier. Auch Ex-Monarch Juan Carlos würdigte "Intelligenz, Mut und Geschicklichkeit" der Toreros, also jener Männer, die in mehreren Auftritten den langsamen Tod der Stiere herbeiführen. Sein Sohn König Felipe VI. glänzte bislang allerdings mit Abwesenheit auf den Tribünen der Stierkampfarenen.

Der "Tod am Nachmittag" stirbt

Der Grund für diese Kampagne liegt auf der Hand: Der Stierkampf liegt darnieder. In den letzten fünf Jahren ist die Anzahl der Arenakämpfe um mehr als 40 Prozent zurückgegangen. Diese Krise hat vielfältige Gründe. Zum einen interessieren sich die jungen Spanier nicht mehr für die "Corridas". Man identifiziert sich nicht länger mit dieser "Tradition des Volkes". Die jungen Menschen pilgern lieber in die Fußballstadien.

Der Widerstand der Tierschützer erfährt immer mehr Zuspruch - auch von Prominenten. Baywatch-Ikone Pamela Anderson hat der Tierhatz den Kampf angesagt. Ebenso das spanische Topmodel Elen Rivas, die sich mit Lanzen im theaterblutverschmierten Rücken ablichten ließ. Die berühmte spanische Flamenco-Gitarristin und Sängerin Charo setzt sich mit deutlichen Worten für ein Verbot ein: "Schon seit ich klein war, war mir klar, dass Stierkämpfe barbarisch sind."

Auch, dass "Corridas" von Politikern vereinnahmt werden, trägt zur Stagnation bei. Nicht in allen Regionen Spaniens will man so spanisch sein. So ist der Stierkampf in der vom Unabhängigkeitsbestreben geprägten Provinz Katalonien seit dem 1. Jänner 2012 verboten. Auch im Baskenland und auf den Kanaren hat man sich weitgehend von der fragwürdigen Tradition verabschiedet.

Mallorca ohne Blut

Das jüngste Mitglied im Bund gegen den Stierkampf ist Palma de Mallorca, die Hauptstadt der beliebten Urlaubsinsel. Bei den Wahlen im Mai erlitt die konservative Stadtregierung eine Niederlage. Linke, Sozialisten und Öko-Regionalisten haben die Mehrheit und wollen Palma zur "Stadt ohne Tierquälerei" und "stierkampffreien Zone" erklären. Im 12.000 Zuseher fassenden "Coliseo" sollen künftig nur noch kulturelle und sportliche Veranstaltungen stattfinden. Auch in den restlichen drei mallorquinischen Städten, die noch Stierkämpfe austragen, soll bald ein Verbot folgen.

Schon im Wahlkampf war das Austragen der "Corridas" ein dominantes Thema, dass die Wogen hochgehen ließ. Die Bürgerinitiative "Mallorca sin Sangre - Mallorca ohne Blut" sammelte binnen weniger Monate über 120.000 Unterschriften gegen den Stierkampf. Nun wird ein landesweites Aufflammen der Debatte erwartet. Für den renommierten Spanien-Korrespondenten der FAZ, Leo Wieland, ist ein landesweites Verbot möglicherweise bald obsolet, wenn der Niedergang des Stierkampfes weiter voranschreitet.