Ein halbes Jahrhundert nach der blutigen Niederschlagung des Bürgerrechtsmarsches von Selma hat US-Präsident Barack Obama in der Kleinstadt im US-Staat Alabama das Fortbestehen rassistischer Vorurteile in den Vereinigten Staaten angeprangert. Der erste schwarze Präsident der USA wies am Samstag (Ortszeit) in Selma die Ansicht zurück, "dass der Rassismus verschwunden ist".

"Marsch ist noch nicht vorbei"

Zwar sehe er große Fortschritte bei den Bürgerrechten für alle Amerikaner in den vergangenen 50 Jahren. "Aber der Marsch ist noch nicht vorbei, das Rennen ist nicht gewonnen", betonte Obama in seiner Ansprache vor den etwa 40.000 Menschen, die sich zum 50. Jahrestag der Ereignisse in Selma versammelten.

"Wir brauchen nicht den Bericht von Ferguson um zu wissen, dass das nicht stimmt", sagte der US-Präsident weiter. "Wir müssen nur die Augen, Ohren und Herzen öffnen um zu wissen, dass die lange Rassengeschichte dieses Landes immer noch ihren langen Schatten auf uns wirft."

Das US-Justizministerium hatte diese Woche in einem Untersuchungsbericht der Polizei in Ferguson Rassismus und routinemäßige Schikanen der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung vorgeworfen. In der Vorstadt von St. Louis im US-Staat Missouri hatte Anfang August 2014 der weiße Polizist Darren Wilson den unbewaffneten 18-jährigen Michael Brown durch mehrere Kugeln getötet.

Eine sogenannte Grand Jury aus überwiegend weißen Laienrichtern kam aber im November zu dem Schluss, dass sich der Polizist nichts zuschulden kommen ließ. Das Urteil führte in Ferguson und zahlreichen anderen Städten zu teils gewaltsamen Protesten. Seitdem sorgten weitere Gewaltakte der Polizei gegen Schwarze für Wut in der Bevölkerung.

Gedenken an "blutigen Sonntag"

So brachte auch der Tod eines weiteren Schwarzen durch Polizeischüsse am Freitagabend (Ortszeit) Dutzende Menschen gegen Polizeigewalt auf die Straßen der Stadt Madison (US-Staat Wisconsin). Ein Beamter habe den 19-Jährigen in einer Wohnung erschossen, nachdem er von ihm attackiert worden sei, zitierte der Sender CNN den örtlichen Polizeichef Mike Koval. Medienberichten zufolge war der Afroamerikaner nicht bewaffnet.

Obama war unterdessen mit seiner Frau Michelle und seinen Töchtern Sasha und Malia nach Selma gereist. Auch Obamas Amtsvorgänger George W. Bush und dessen Frau Laura kamen zu der Gedenkfeier in der Kleinstadt.

Dort hatten sich am 7. März 1965 rund 600 Demonstranten versammelt, um nach Montgomery, die Hauptstadt von Alabama, zu marschieren. Die Polizei stoppte den friedlichen Zug jedoch außerhalb von Selma an der Edmund-Pettus-Brücke und prügelte die Teilnehmer brutal nieder. Die Ereignisse, die als "Blutiger Sonntag" in die Geschichte eingingen, wurden im Fernsehen übertragen und sorgten landesweit für Empörung.

Wahlrecht noch immer in Gefahr

Zwei Tage später stellte sich der afroamerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King an die Spitze von rund 2000 Demonstranten, die sich wieder von Selma aus in Bewegung setzten. Um eine erneute Konfrontation mit der örtlichen Polizei zu vermeiden, ließ King die Menge vor der Edmund-Pettus-Brücke umkehren. Am 21. März fand ein dritter Protestmarsch unter dem Schutz der Bundespolizei statt, bei dem am Ende rund 25.000 Menschen unter Führung von King in das knapp 90 Kilometer entfernte Montgomery einzogen. Im August 1965 unterzeichnete der damalige Präsident Lyndon B. Johnson schließlich den Voting Rights Act, ein Gesetz, das eine Beschränkung des allgemeinen Wahlrechts verbietet.

Obama kritisierte, dass dieses Recht heute immer noch in Gefahr sei. Weiterhin wollten die Regierungen einiger US-Staaten die Registrierung zur Wahl erschweren. "Wie kann das sein?", fragte Obama. Zu der Gedenkfeier in Selma seien auch hundert Kongressabgeordnete gekommen. "Wenn wir diesen Tag ehren wollen, lasst diese hundert zurück nach Washington gehen und vierhundert mehr zusammenbringen", die das uneingeschränkte Wahlrecht wiederherstellten, forderte der demokratische US-Präsident, der sich damit indirekt gegen die Vorhaben einiger republikanischer Politiker stellte.