Japan ist tief geschockt. Die Nachricht von der Ermordung des japanischen Journalisten Kenji Goto durch die Terrormiliz IS löste am Sonntag Entsetzen in einer Nation aus, die sich jahrzehntelang als pazifistisch verstanden hat - und das auch in ihrer Verfassung verankert hat. Mit einem Schlag wurde vielen Japanern bewusst, dass ihr Land nun plötzlich auch auf dem Radar des internationalen Terrorismus steht. Premierminister Shinzo Abe gab sich ungewohnt emotional: "Ich fühle herzzerreißenden Schmerz", sagte er. Um dann doch kämpferisch zu werden: Japan werde sich dem Terrorismus nicht beugen, vermehrt für die Sicherheit der Japaner im In- und Ausland sorgen.

Kriegsverbot seit 1946

Ganz so schlecht passt Abe diese Tragödie gar nicht in sein politisches Konzept. Seit er 2012 an die Macht kam, setzt er sich für eine Abschaffung des Kriegsverbotes ein. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist ein Pazifismus-Artikel in der japanischen Verfassung verankert. Darin verbietet sich der Staat, Krieg - in welcher Form auch immer - zu führen. Nicht nur Abe ist der Meinung, dass dieser Artikel 9 die japanische Souveränität beschneidet. Er selbst hat 2006 als interimsmäßig regierender Premierminister das Verteidigungsressort zu einem eigenständigen Ministerium erklärt. Seit seinem Amtsantritt 2012 sind die Militärausgaben der Japaner auch erstmals gestiegen. Für 2013 und 2014 hat Abe das Militärbudget um knapp 40 Milliarden Euro aufgestockt. Der Hauptgrund dafür ist ein seit 2012 immer wieder aufflammender Konflikt mit China um eine eine Inselgruppe, außerdem hat man mit Nordkorea einen unangenehmen und schwer einschätzbaren Nachbarn vor der Haustüre.

"Proaktiver Pazifismus"

In der Vergangenheit wurde Japans Außenpolitik allerdings oft Pragmatismus und Prinzipienlosigkeit vorgeworfen. Die internationalen Beziehungen würden von Japan für die eigene Handlungsmaxime funktionalisiert: hoher wirtschaftlicher Nutzen bei geringem außenpolitischen Engagement. So war Japan während des ersten Golfkriegs wegen seiner "Scheckbuch-Diplomatie" kritisiert worden, da es sich mit Geld, aber nicht mit Truppen beteiligte. In den vergangenen Jahren jedoch hat Japan sein Militär nicht nur in immer größerem Umfang in UNO-Missionen einbinden lassen, sondern auch zur logistischen Unterstützung des globalen Kampfes gegen den Terrorismus in den Indischen Ozean und den Irak entsandt. Diese Entwicklung will Abe fortsetzen und andere Nationen, hauptsächlich die USA, im Ausland durch Waffenlieferungen und Beteiligungen militärisch unterstützen. Diese Vision nennt Abe "proaktiven Pazifismus".  Das Pikante an der Sache: Mit den USA würde just jene Nation Militärunterstützung aus Japan bekommen, die nach dem Zweiten Weltkrieg für die Verankerung des Pazifismus-Artikels verantwortlich war.

Obwohl der buddhistische Koalitionspartner und die Bevölkerung laut Umfragen (noch) für den pazifistischen Artikel 9 sind, könnte die Stimmung zu Abes Gunsten kippen. Denn sollte Japan tatsächlich ins Fadenkreuz der Jihadisten geraten sein, wie manche Experten nun wissen wollen, werden Abe kaum die Argumente ausgehen.