er Fall hatte bei seinem Auffliegen im Jahr 2017 weltweit für Schlagzeilen gesorgt: In seinen knapp 30 Jahren als Mannschaftsarzt des US-Turnverbands hatte Larry Nassar mehr als 250 Athletinnen sexuell missbraucht, unter den Opfern fanden sich so prominente Namen wie die siebenfache Olympia-Medailliengewinnerin Simone Biles und Doppel-Olympia-Siegerin Gabby Douglas. Viele der Betroffenen waren zum Zeitpunkt des Missbrauchs erst 15 oder 16 Jahre alt gewesen.

„Nassar jagte Jahrzehnte lang unwissende Opfer an jeder Ecke und bei jeder Gelegenheit: Im Keller seines Hauses, in der medizinischen Klinik, in seinem Fitnessstudio, in Trainingseinrichtungen und in Hotels auf der ganzen Welt“, schrieb Generalanwältin Angela Povilaitis im Strafantrag für den Prozess, der 2018 stattfand. Nassar wurde in dem Verfahren zu 175 Jahren Haft verurteilt, in einem zweiten Prozess fasst der damals 54-Jährige wegen des Besitzes von Kinderpornografie weitere 60 Jahre aus.

Sechs Jahre später sollen nun rund 100 Opfer für Fehler der US-Bundespolizei FBI entschädigt werden, die damals an den Ermittlungen beteiligt war. Laut dem „Wall Street Journal“ erhalten die Betroffenen insgesamt 100 Millionen Dollar von der US-Regierung ausbezahlt. Eine entsprechende außergerichtliche Vereinbarung sei bereits vor einigen Monaten getroffen worden, berichtete die Zeitung. Der Vergleich sei von den Opfern im Grundsatz akzeptiert worden.

„Ist das alles?“: FBI-Beamter ignorierte Vorwürfe

In dem Rechtsstreit ging es um den Vorwurf der Opfer, dass das FBI den Berichten über Nassars Verhalten über lange Zeit nicht nachgegangen sei. Bei einer Anhörung im Justizausschuss der Kongresskammer erzählte Olympia-Siegerin McKayla Maroney 2021, wie sie dem FBI sechs Jahre zuvor in schmerzhaften Details geschildert habe, was Nassar ihr angetan habe. Der FBI-Beamte habe ihre Erlebnisse aber heruntergespielt und gesagt: „Ist das alles?“ Laut Maroney hat die Bundespolizei ihre Aussage zunächst lange nicht gemeldet und erst nach 17 Monaten dokumentiert, ihre Schilderungen dabei aber „völlig falsch“ dargestellt. FBI-Chef Christopher Wray hatte später das Versagen seiner Behörde eingeräumt.

Durch die vom US-Justizministerium zu zahlenden 100 Millionen Dollar würde die Summe aller Entschädigungen für die Nassar-Opfer auf rund eine Milliarde Dollar steigen. Die Michigan State University, an der Nassar viele Jahre lang gearbeitet hatte, hatte im Rahmen eines Vergleichs bereits 500 Millionen Dollar zugesagt, der US-Turnverband USA Gymnastics 380 Millionen.

Nach Bekanntwerden des Falls Nazaar war der gesamte Vorstand von USA Gymnastics zurückgetreten. In weiterer Folgen legten dann auch Kerry Perry, die Präsidentin des US-Turnverbands, und Waleri Ljukin, der Chef-Trainer des US-Damen-Teams ihre Funktionen zurück.