Seit dem Umsturz im Februar 2021 versinkt Myanmar Chaos und Gewalt. Die Generäle hatten vor zwei Jahren Regierungschefin Aung San Suu Kyi entmachtet und regierten seither erneut mit eiserner Faust. Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi, die seit Jahrzehnten den politischen Widerstand gegen das Militärregime anführt, befindet sich in Haft, die Bevölkerung stellt sich dem Militär aber dennoch massiv entgegen – so kann die Lage in dem asiatischen Land kurz zusammengefasst werden.

„Seit 2,5 Jahren eine Revolution“

„Seit 2,5 Jahren herrscht in Myanmar eine Revolution“, so Georg Bauer, Historiker und Myanmar-Experte. Begonnen hat der Widerstand teilweise mit alten, banalen Waffen, die auf dem technischen Stand des 19. Jahrhundert waren. „Letzten Herbst begann mit der Operation 1027, bestehend aus drei verschiedenen ethnischen Widerstandsgruppen und neuen People’s Defence Forces, im Norden des Landes eine große Offensive gegen das Militär“, so der Historiker. Die Militärjunta hatte in gleich mehreren Grenzgebieten mit herben Verlusten zu kämpfen. „An sich ist die Kriegssituation für das Militär nicht neu, es herrscht seit 1948 Bürgerkrieg. Der Erfolg dieser Offensiven ist darauf zurückzuführen, dass das Militär sehr ausgedünnt ist, da es an so vielen Fronten kämpfen muss. . Bis dato hatte es das Militär immer geschafft, nur an einer Front zu kämpfen.“

Gerade an der Grenze zu Thailand gibt es eine Reihe an Hilfsorganisationen, die sich der Geflüchteten annehmen. Es handelt sich dabei vor allem um lokale Hilfsorganisationen, die eigentlich am effizientesten arbeiten, da sie auch in sehr abgelegene Dschungel-Regionen kommen: „Deren Problem ist es allerdings, dass sie oft nicht von internationaler Seite unterstützt werden, da sie einfach mit der ganzen Bürokratie überfordert sind.“ Oft sind es Vorgaben, die in einem derartigen Gebiet komplett unpassend sind – da die Hilfe nicht bei den Organisationen vor Ort landet, wird sie oftmals vom Militär als eine Art Kriegsmittel eingesetzt. So wird das System Hilfsorganisation auch ad absurdum geführt, so Bauer: „Es kommt dann unter anderem auch darauf an, wo man ist. In Indien ist der Grenzstaat Mizoram sehr hilfreich. Das liegt auch daran, dass sich die Bevölkerungsgruppen sehr nahe stehen.“ Hilfe, die bei der indischen Zentralregierung nicht so gerne gesehen war. Kurzum: internationale Hilfe kommt schon an, aber nicht ausreichend und nicht dort, wo sie am meisten bewirken könnte.

Botataung-Pagode | Die Botataung-Pagode ist eine Tempelanlage in Yangon in Myanmar. 
Botataung-Pagode
| Die Botataung-Pagode ist eine Tempelanlage in Yangon in Myanmar.  © AFP / Sai Aung Main

Die Luftangriffe der jüngsten Vergangenheit treffen die Zivilbevölkerung stark – auch, weil sie gezielt bombardiert wird, etwa Schulen oder Krankenhäuser: „Zwar gibt es eine nicht so große Opferzahlen wie in anderen Kriegen, weil die Luftwaffe nicht so groß ist.“ Die Vertriebenen trauen sich oftmals dann nicht mehr in ihre Heimat zurück. Doch aus militärischer Sicht sind die Luftangriffe eines der letzten wirksamen Mittel – da hat es noch die Überlegenheit. Denn an Männern und Moral ist es mittlerweile weit unterlegen.

Internationale Sanktionen hatten nur bedingt Einfluss auf die Lage in Myanmar. Bauer argumentiert, dass es von internationaler Seite sicher sinnvoller wäre, zu eruieren, wie man aktiv zu einer Besserung beitragen könnte. Er denkt da unter anderem an die Unterstützung der nationalen Einheitsregierung. Denn gerade in diesem Bereich gibt es unterstützenswerte Widerstandsaktionen, wie den Aufbau eines Schulsystems: „Die Lehrer in Myanmar arbeiten meist auf freiwilliger Basis.“ Sai Khaing Myo Tun, Vize-Bildungsminister, war vor kurzem erst in Österreich zu Besuch, um über Perspektiven zu sprechen.

„Seit Militärputsch 1962 ist erstmals Chance“

Die Lage in Myanmar sollte aber auch als Chance gesehen werden: „Seit dem ersten Militärputsch 1962 ist erstmals die Chance da, dass das Militär auch wirklich aus der Macht vertrieben wird.“ Somit hätte das Land die Chance, nach Jahrzehnten der Unruhe, politischen Frieden zu schließen und eine Demokratisierung und Föderalisierung zu erleben.

Denn diese Entwicklung sollte gerade Europa interessieren, denn das burmesische Regime ist eng mit dem russischen verbunden: Es wurden bereits in Myanmar hergestellte Artillerien von Russland in der Ukraine eingesetzt. In Myanmar wird aus russischen Kampfhubschraubern bombardiert. Die beiden Ländern bieten sich so auch eine internationale Bühne und Unterstützung. „Das ist kein Konflikt in einem vergessenen Fleck der Welt, sondern direkt mit Europa verbunden.“