Mtte Dezember 2023 gab sich Philippe Lazzarini empört: „Ich bin entsetzt über die Verleumdungskampagnen gegen die Palästinenser und diejenigen, die ihnen helfen.“ Anschuldigungen gegen das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) seien zuweilen „vulgär“. Das UNRWA, immerhin der größte Anbieter sozialer Leistungen für Millionen Palästinenser, sei selbst „Ziel“ des Krieges in Nahost geworden. Als Generalkommissar des UNRWA verteidigte Lazzarini damals nahezu bedingungslos seine 30.000 Mitarbeiter – und sich selbst.

Der seit 2020 amtierende Lazzarini und auch frühere UNRWA-Generalkommissare sind Druck gewohnt, das Parieren von schweren Vorwürfen gehört zum Jobprofil. Jetzt aber sieht sich der 60-Jährige mit Anschuldigungen gegen UNRWA-Personal konfrontiert, die alles Bisherige übertreffen: Israel will beweisen können, dass zwölf Untergebene Lazzarinis an den Hamas-Terrorüberfällen am 7. Oktober teilnahmen. Die mögliche Beteiligung löste international Schockwellen aus und stürzt Lazzarinis UNRWA in seine schwerste Krise. Der Schweizer, der seine Mitarbeiter nicht nur im Gaza-Streifen, sondern auch im Westjordanland, Jordanien, Libanon und Syrien dirigiert, kämpft nun um das Überleben der Organisation in ihrer heutigen Form.

Start als Wirtschaftswissenschafter

Seine eigene Karriere begann Lazzarini als Wirtschaftswissenschaftler beim Kanton Bern, er arbeitete für das Rote Kreuz und als Marketingchef des Finanzhauses Union Bancaire Privée. 2003 heuerte der vierfache Vater bei der UNO an und kam vielfach im Nahen Osten zum Einsatz, ab 2015 in hoher Position im Libanon. In dieser Zeit beobachtete Lazzarini den Sturz des damaligen UNRWA-Chefs Pierre Krähenbühl, ebenfalls ein Schweizer. Infolge eines Skandals um Machtmissbrauch und Nepotismus trat Krähenbühl zurück – wies aber jede Schuld von sich.