Wie weit können die Ungarn wichtige EU-Entscheidungen blockieren? „Am Ende stimmen sie doch mit, weil sie im Grunde wissen, dass sie uns nicht aufhalten können“, sagte EU-Kommissar Johannes Hahn bei einem Besuch in der Grazer Redaktion der Kleinen Zeitung. Derzeit wird am zwölften Sanktionspaket gearbeitet, dabei geht es unter anderem um den russischen Diamantenhandel. Vordringliche Frage ist aber die Revision des mehrjährigen Finanzrahmens der EU. Hahn: „Das Herzstück des Vorschlages ist die Unterstützung für die Ukraine, das ist im Wesentlichen bei den Mitgliedsländern unbestritten. Orbán kann uns nicht aufhalten.“ Es gebe einen Plan B: „Ich kann auch mit 26 Ländern eine bilaterale Vereinbarung schließen. Das ist zwar umständlich, aber machbar.“ Er könne die Haltung Orbáns nicht verstehen, so Hahn: „Er ist nach Abgang von Mark Rutte der dienstälteste Regierungschef. Er könnte mit einer konstruktiven Haltung für sein Land in der EU viel mehr erreichen als mit der jahrelangen obstruktiven Haltung.“

Nach wie vor werden Milliardenbeträge für Ungarn zurückgehalten, weil die Rechtsstaatlichkeit nicht garantiert werden kann. Hahn: „Unser Ziel als Kommission ist, das Problem zu lösen. Vielleicht gibt es im EU-Parlament auch welche, die das nicht gelöst haben wollen. Wir glauben, mit den umgesetzten Maßnahmen kann sich die Situation verbessern. Wenn Ungarn das macht, soll das Geld fließen, es kommt ja der Bevölkerung zugute.“ Es habe einige Bewegungen in die richtige Richtung gegeben, aber das Land müsse in elementaren Bereichen noch liefern.

Kein Migrationsdruck in afrikanischen Ländern

Was die Migration betreffe, so sei die Sicherung der Außengrenzen unbestritten, allerdings sei der Unterschied zwischen Land- und Seegrenzen relevant. Es gehe aber auch um Grundsätzliches: „Wir brauchen einen koordinierten Ansatz vor allem in Bezug auf die afrikanischen Länder, dort darf nicht ein Migrationsdruck entstehen. Wir bekämpfen immer nur Symptome an der Oberfläche, aber wir müssen an die Wurzeln gehen. Im Vorjahr hatten wir mehr als vier Millionen legale Migranten, wir haben ja auch eine Notwendigkeit vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft, beim Mangel an Fachkräften. Wir haben vier Millionen Geflüchtete aus der Ukraine, die sind de facto am Arbeitsmarkt absorbiert.“

Die große Frage, die auch im Zentrum des Dezembergipfels stehen wird, ist die Aufstockung des EU-Budgets für die kommenden Jahre. Österreich und andere Länder schlagen Umschichtungen statt Beitragserhöhungen vor. Nach Abzug der Mittel für Agrar, Kohäsion und Verwaltung bleiben noch 25 Prozent vom Budget, das sind 180 Milliarden Euro für vier Jahre, rechnet der Kommissar vor: „Wir haben 66 Milliarden Euro vorgeschlagen – ich kann 66 innerhalb der 180 Milliarden nicht durch Umschichtungen darstellen. Außer ich nehme über alle Programme eine 30-prozentige Kürzung vor, da kann ich jetzt schon sagen, dass die Mitgliedsstaaten nicht mitspielen.“ Beim letzten Versuch, innerhalb des Forschungsbudgets 800 Millionen Euro umzuschichten, hätten zwölf Mitgliedsstaaten Nein gesagt. Hahn: „Einer der zentralen Punkte ist, Flexibilität zurückzugewinnen, dazu mache ich im Frühjahr eine Konferenz. Mir kommt vor, in den EU-Ländern sind lauter Verteidiger, aber niemand will ein Tor schießen.“