Auf dem grünen Campus der Columbia University, New Yorks Eliteuni, stehen sich pro-israelische und pro-palästinensische Studenten feindselig gegenüber, nur getrennt durch einen schmalen Grasstreifen. Bei der doppelten Demonstration wehen palästinensische und israelische Fahnen; Studenten tragen demonstrativ Tücher oder Kippas. Auf Plakaten steht „Genozid“ und „Palestine will be free“. Als die beiden Demos zu Ende sind, verlaufen sich die Studenten, aber die Konfrontation bleibt.

Wenig später rollt ein Lastwagen am Universitätsgebäude entlang. Bildschirme an allen Seiten zeigen die Fotos und Namen der „führenden Antisemiten der Columbia”. Erboste Studenten umringen den Truck und verdecken die Bilder mit palästinensischen Flaggen. Sie halten Plakate hoch, „Hört auf unsere Studenten zu diffamieren“ steht darauf.

Dann brodelt es drinnen. Hillary Clinton, frühere Präsidentschaftskandidatin der Demokraten hat einen Lehrauftrag an der School of International and Public Affairs. Mitten in ihrem Vortrag packen die Studenten ihre Sachen und gehen. Der Lastwagen draußen habe die Bilder von einem angeblich sicheren Server des außenpolitischen Instituts bekommen, erklären sie. Die Uni müsse das unterbinden.

Der Krieg um Gaza wird auch an amerikanischen Universitäten geführt, und mit aller Härte. „Viele hier sind entsetzt über das Leiden beider Seiten“, sagt Anne Nelson, die viele Jahre am außenpolitischen Institut gelehrt hat. „Andere fühlen sich angegriffen, nur wenn sie hören, dass Kinder nicht sterben sollen. Das Klima ist gespannt; jede Bemerkung kann falsch interpretiert werden.“ Nelson fügt hinzu: „So etwas habe ich hier noch nie erlebt. Ich hatte Klassen mit Studenten aus Serbien und Kroatien, die vernünftig miteinander gesprochen haben, aber das ist vorbei“.

In den letzten zwei Tagen strömten die Studenten von der Uni auch in die Stadt: Zehntausende sammelten sich am Columbus Circle, vor dem weihnachtlich geschmückten Kaufhaus Macy‘s und vor dem „New York Times“-Gebäude in der West 40th Street, dessen Tür besprüht wurde. Die Polizei sperrte den Bahnhof Grand Central Station ab, der Verkehr in ganz Midtown wurde komplett lahmgelegt.

Hakenkreuze und wütende Mobs

Die Luft brennt nicht nur in New York. Michael Schill, der Präsident der Northwestern University in Illinois, der Jude ist, wurde von Studenten mit Sprechchören begrüßt: „ “Hey, Schill, wie viele Kinder hast du heute umgebracht“, eine Reminiszenz an den Vietnamkrieg. An der Tulane-University in New Orleans wurden israelische Flaggen verbrannt. Joseph Massad, Politikprofessor an der Columbia und ein palästinensischer Christ nannte den Überfall vom 7. Oktober auf der Webseite „Electronic Intifada“ ein „großartiges Spektakel“ und den Beginn der Befreiung. Daraufhin verlangten 70.000 Studenten seinen Rücktritt.

Vor allem pro-israelische Studenten fühlen sich bedroht. An der Cornell University im Norden von New York drohte ein Student jüdischen Kommilitoninnen, sie zu vergewaltigen und erschießen. An der George Washington University in der Bundeshauptstadt wurde die Fassade der Bibliothek mit „Glory to Our Martyrs“ angestrahlt. An der Ohio State University wurde ein jüdisches Studentencenter verwüstet. An der Cooper Union in New York verbarrikadierten sich jüdische Studenten in der Bücherei, während ein Mob an die Tür schlug. Und immer wieder werden Hakenkreuze gesprüht und Plakate israelischer Entführungsopfer abgerissen.

Wegen derartiger Vorfälle haben mehrere Hedgefondsmanager und andere Milliardäre ihre Spenden für UPenn, Columbia oder Harvard aufgekündigt, darunter auch der Kosmetikerbe Ronald Lauder. Wall Street-Banken zogen Jobangebote zurück, als Studenten von Harvard, aber auch der Columbia, die „Militäraktion“ der Hamas vom 7. Oktober rechtfertigten und Gaza ein Freiluftgefängnis nannten.

Aber es gibt auch Unterstützer. Mehr als hundert Akademiker an der Columbia verteidigten die israelkritischen Studenten mit Verweis auf die Redefreiheit, darunter auch jüdische Professoren wie Jack Halberstam. Der New Yorker Rabbi Joseph Potasnik fragte ihn daraufhin, ob er auch „Nazis oder den KuKluxKlan“ verteidigen würde.

Christliche Rechte mobilisieren

In der Kontroverse stehen aber nicht unbedingt jüdische gegen arabische Studenten; linke Juden sind eher auf der Seite der Palästinenser. Viele Israel-Verteidiger sind christliche Rechte. Die Lastwagen mit den Bildern kommen etwa vom Verein „Accuracy in Media“, gegründet von dem Banker Reed Irvine, der den Medien die Schuld am verlorenen Vietnamkrieg gab. Accuracy in Media verteidigte den Irakkrieg, hält Barack Obama für einen Marxisten und den Klimawandel für Schwindel.

Andere rechte Unterstützer sind Organisationen wie „Turning Point USA“, die sich als „Freiheitsbewegung für Studenten“ verstehen und Listen von allzu linken Professoren führen. Dem Verein steht Charlie Kirk vor, der Ex-Präsident Donald Trump den „Bodyguard der westlichen Zivilisation“ nannte.

Nun muss Minouche Shafik, die Präsidentin der Columbia und eine gebürtige Ägypterin, die Wogen glätten, zusammen mit Keren Yarhi-Milo, die Dekanin des Auslandsinstituts, eine Israelin, die beim Geheimdienst der Armee war. Shafik hat eine „Anti-Hass Task Force“ angekündigt, die sich gegen Antisemitismus und Islamophobie richtet. Als erstes hat diese zwei Studentengruppen für das gesamte Wintersemester suspendiert: „Students for Justice in Palestine“ und die „Jewish Voice for Peace“ hatten nach diversen verbalen Einschüchterungsversuchen unter anderem ein „Die In“ ohne Genehmigung veranstaltet.