Am Tag nach dem „Big Bang“, der Vorstellung des 750 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfspakets der EU-Kommission, gaben gestern die Kommissare Pressekonferenzen im Halbstunden-Takt. Dombrovskis, Gentiloni, Timmermans, Schmit, Ferreira, Schinas, Kyriakides – sie alle versuchten, für ihre Fachbereiche zu erklären, welche Auswirkungen und Folgen die enorme Wirtschaftshilfe haben kann.

Einer, der jetzt im Mittelpunkt des Geschehens steht, ist Budgetkommissar Johannes Hahn. Im Gespräch mit Journalisten fiel bald der Satz: „Meine schlaflosen Nächte wegen des Budgets gehen über in schlaflose Nächte wegen des Personals.“ Hahn ist auch für das Personal der EU-Kommission zuständig, auf das nun extrem arbeitsintensive Monate zukommen. Der Zeitdruck ist enorm: Wie berichtet, müssen zunächst einmal die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsländer und auch das EU-Parlament zustimmen. Der nächste Gipfel ist am 18./19. Jänner, man rechnet mit einem Sondergipfel Anfang Juli. Die enormen Geldmengen, die nun im Spiel sind, sollen von der Kommission auf dem Kapitalmarkt aufgenommen werden; was an sich im Widerspruch zum EU-Vertrag steht (nämlich, dass sich die EU als solche nicht verschulden darf), erreicht man durch eine bestimmte rechtliche Grundlage. Nicht der Artikel 122, wie zunächst erwogen (er bezieht sich auf Not- und Katastrophenfälle), sondern der Artikel 311 wird herangezogen. Die Entscheidung muss somit auch von den nationalen Parlamenten aller Mitgliedsländer ratifiziert werden – und das am besten noch bis zum Herbst. Johannes Hahn: „Das ist logistisch und politisch eine Herkulesaufgabe. Ohne das können wir nicht starten. Damit ist die Sache auch für die nationalen Gerichtshöfe wasserdicht.“

Die gesamte Summe, so Hahn, soll über einen Zeitraum von vier Jahren aufgenommen werden, dann ist das Projekt „Next Generation EU“ wieder beendet. Als Basis für die Berechnungen wird das Jahr 2018 genommen – 2020 und 2021 müsse man „isoliert“ betrachten. Im „Zauberkasten“ der Kommission liegt unter anderem die Erweiterung der Eigenmittel. Damit, so Hahn, könnte die Rückzahlung der Mittel finanziert werden, ohne die Mitgliedsländer zur Kasse zu bitten. Eine Rückzahlung könnte in weniger als 30 Jahren erfolgen – und es sollte nicht der Steuerzahler belastet werden. Dazu gehören die „Grenz-Carbon-Steuer“ (für Produkte aus Drittländern, die wenig umweltfreundlich erzeugt wurden), die Digitalsteuer für große Onlinefirmen oder eine Binnenmarktabgabe für globale Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz. Problem sei allerdings die lange Dauer bis zu einer Einigung.

Rückzahlungsbeginn 2028

Hahn: „Ziel muss es sein, bis 2027 einen stabilen Umsatz daraus haben, damit wir 2028 mit den Rückzahlungen beginnen können.“ Nachsatz: „Ich glaube, unser Angebot ist unschlagbar.“ Die Rechnung schaut etwa so aus: 250 Milliarden sind Kredite und müssen von den Empfängern zurückgezahlt werden. Knapp weniger als 100 Milliarden sind Garantien, die nicht alle schlagend werden. Bleiben etwas über 400 Milliarden übrig. Rückzahlungen laufen von 2028 bis 2058. Die Haftung der Länder entspreche deren Anteil am Gesamtbudget: „Wenn es hier Unsicherheit gäbe, wird es keine Zustimmung geben.“ Die Angst der „frugalen Vier“, die von Österreich angeführt werden, dass durch neue Einkunftsquellen die politische Hebelwirkung verloren gehe, sehe er nicht. Kleinere Staaten würden besonders vom Binnenmarkt profitieren – etwa die Niederlande und Luxemburg mit ihren Steuervorteilen: „Italien ist nach Deutschland der zweitwichtigste Exportmarkt für Österreich, rund drei Millionen Touristen kommen von dort.“ Allerdings müsse man zu große Abhängigkeiten von einer Säule vermeiden. So beruht etwa ein Viertel der kroatischen Wirtschaftsleistung allein auf dem Tourismus: „Das ist zu viel.“

Zu Einsparungen im EU-Budget meinte Hahn, man müsse es ständig an die aktuellen Erfordernisse anpassen; so wie zuletzt wegen der Migration und nun Richtung Gesundheit. Es brauche aber mehr Flexibilität, um auf Krisen reagieren zu können. Im Vorschlag sind rund 17 Milliarden Euro bereits als Zinsendienst enthalten.