Pro

Jennifer Uzodike ist 18 Jahre alt und besucht die HLW 19 in Wien. Sie ist seit September die amtierende Bundesschulsprecherin in Österreich. Gleichzeitig spricht sie für die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen in Wien:

Dieser Tage wurde eine App vorgestellt, mit der in Zukunft die Arbeit und Unterrichtsgestaltung der Lehrerinnen und Lehrer von der Schülerschaft bewertet werden kann. Sternchen als Hilfsmittel, wie bei einem Uber-Fahrer, sollen über die Qualität der Lehrperson und dessen Unterricht Auskunft geben. Hierbei ist stark zu hinterfragen, inwiefern diese App vernünftig eingesetzt werden kann und wie sich dieses Bewertungssystem zukünftig auf den Unterricht auswirken wird.

In meinen Augen geht es in dieser Debatte nicht darum, ob Lehrpersonen bewertet werden sollen oder nicht, sondern vielmehr in welcher Form dies geschieht. Die Bundesschülervertretung fordert seit Jahren, dass eine Möglichkeit geschaffen wird, dass nicht nur Lehrpersonen die Leistung der Schülerinnen und Schüler bewerten können, sondern auch umgekehrt. Dabei stand immer der Ruf nach dem 360°-Feedback im Raum, welches durch konstruktive und fundierte Rückmeldungen seitens der Schülerschaft zu einem qualitativ hochwertigen und vielfältigen Unterricht führen soll.

Auch dies ist aus meiner Sicht eine Form der Bewertung, welche den Vorteil hat, dass beide Seiten einen Nutzen daraus ziehen können. Außerdem gibt dieses System den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, den Unterricht bis zu einem gewissen Grad mitzugestalten. Gerade dies fördert den Lernerfolg der Klassen und erleichtert im erweiterten Sinne das Unterrichten. Zusätzlich ist zu verdeutlichen, dass Feedback geben auf den unterschiedlichsten Wegen erfolgen kann. Wichtig ist jedoch, dass man immer weiß, in welchen Bereichen welcher Verbesserungsbedarf herrscht.

Daher ist es nicht sinnvoll, strikt Noten nach der Skala 1 bis 5 zu vergeben. Vielmehr soll in offenen Fragen erläutert werden, was im Unterricht schon gut läuft und in welchen Bereichen noch Luft nach oben besteht. So kann sich auch die Lehrkraft mitnehmen, wie der eigene Unterricht angepasst werden soll. Ein qualitativ hochwertiger und zielführender Unterricht ist für unsere Ausbildung von höchster Bedeutung. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, wenn ein System wie das 360°–Feedback eingeführt wird, bei dem wir unseren Lehrpersonen konstruktive Rückmeldungen geben können. Eine App ist hierbei sicher kein falscher Ansatz. In Zeiten der Digitalisierung sollte es sehr wohl der Fall sein, dass auch ein Feedback-System digital sowie anonym vonstattengeht. Ich bin überzeugt, dass dies nur funktionieren kann, wenn Lehrer und Schüler sich in der Sache unterstützen.

Kontra

Claudia WolfSchöffmann ist Lehrergewerkschafterin der FCG. Für die ÖVP saß die 50-jährige Pädagogin im KärntnerLandtag. Wolf-Schöffmann lebt in St. Veit/ Glan:

Lehrer per App bewerten klingt nach Strafzettel für Polizisten! Will man echte Qualitätsentwicklung über seriöse Feedbackmodelle, oder einen Türöffner für Lehrer-Bashing? Man muss kein Sterndeuter sein, um negative Auswirkungen einer Lehrer-Beurteilung per Handy-App vorauszusehen. Denn es ist nicht der Uber-Fahrgast, der seinen Fahrer beurteilt, oder der Airbnb-Mieter, der sich über die Unterkunft echauffiert, sondern der beurteilte Schüler, der seinen Beurteiler beurteilt. Frei nach dem Motto: Lehrer vergeben Noten, Schüler vergeben Sterne.

Dass das Beurteilen von Leistungen zum Tätigkeitsfeld eines Lehrers gehört, dass es dazu einer Ausbildung bedarf und es nach gesetzlichen Richtlinien zu erfolgen hat, unabhängig des aktuellen Gemütszustandes, wird leider ausgeblendet. Als ob man die Diagnose eines Arztes mit der seines Patienten gleichsetzen würde. Laut App kann der Kunde (Schüler) ab der Sekundarstufe (NMS/AHS) seinen Dienstleister (namentlich genannte Lehrperson) öffentlich in unterschiedlichen Kategorien anonym bewerten. 1, 2, 3, 4, 5 Sterne gibt es für Unterricht, Fairness, Respekt, Motivationsfähigkeit, Geduld, Vorbereitung, Durchsetzungsfähigkeit und Pünktlichkeit einer Lehrerin oder eines Lehrers.

Hierbei beurteilen z.B. zehnjährige Schüler die Vorbereitung ihres Lehrers für den Mathe-Unterricht. Oder seinen Respekt! Die Aussagekraft einer derartigen Beurteilung mit ein paar Klicks steht sprichwörtlich in den Sternen. Die Auswirkung ist enorm. Lehrpersonen sind der Willkür, falschen Angaben und Eingriffen in ihre Persönlichkeitsrechte ausgesetzt. Datenschutzrechtlich äußerst bedenklich.

Darum wird die Lehrergewerkschaft alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um Pädagoginnen und Pädagogen vor diffamierenden Behauptungen zu schützen. Das bedeutet aber nicht, dass eine Feedbackkultur von Haus aus negativ zu bewerten ist. Es muss aber ernst gemeint und seriös gemacht werden. Im Rahmen der Sicherung und Weiterentwicklung der Schul- und Unterrichtsqualität sind bereits Feedbacksysteme in Anwendung, die sich auf einen bestimmten Kreis Involvierter beschränken.

Es gibt Fragebögen für Schülerinnen und Schüler mit eigenen Feedbackregeln, nach unterschiedlichen Schwerpunkten und Schularten differenziert. Denn Feedback ist ein wichtiges Instrument, um zu erfahren, wie das Lernen im Unterricht gelingt und was gemeinsam getan werden muss, um den Unterricht weiter zu verbessern. Diesen Anspruch erfüllt diese Sternchen-App leider nicht!