Die USA drohen der Türkei angesichts der anhaltenden Offensive in Nordsyrien mit weiteren Sanktionen. "Der Plan ist, den Druck zu erhöhen", sagte ein Vertreter der US-Regierung am Dienstag. Ziel sei es, die Türkei zu einer Feuerpause zu bewegen. Zudem sollten die Bodentruppen nicht weiter vorrücken. Er erklärte, zusätzliche Sanktionen könnten beschlossen werden.

Zunächst soll jedoch Vizepräsident Mike Pence in die Türkei reisen, um Gespräche mit der Regierung in Ankara zu führen. US-Präsident Donald Trump hat bereits Gespräche über ein Handelsabkommen auf Eis gelegt und Zölle auf türkischen Stahl auf 50 Prozent angehoben.

Russland verteidigt Vorstoß syrischer Truppen

In Abu Dhabi verteidigte der russische Beauftragte für Syrien, Alexander Lawrentiew, den Vorstoß syrischer Truppen in die von Kurden beherrschten Regionen nach dem Abzug amerikanischer Soldaten. Die Kurden hätten dies erlaubt, auch der Einzug in der Stadt Manbidsch sei abgesprochen gewesen. Lawrentiew erklärte, die Türkei habe nicht das Recht auf eine dauerhafte Stationierung ihrer Truppen in Nordsyrien. Zulässig sei zudem nur ein Vorstoß auf syrisches Gebiet in einer Tiefe von fünf bis zehn Kilometern.

Ärzte ohne Grenzen zieht Mitarbeiter ab

Im Zuge der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien und der "extrem instabilen Situation" zieht die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) alle internationalen Mitarbeiter aus der Region ab.

"Dies waren extrem schwierige Entscheidungen", teilte MSF mit. Die Organisation sei sich den Bedürfnissen flüchtender und verletzlicher Menschen bewusst. Die derzeitige Lage mache es aber unmöglich, Medizin und Helfer in die betroffenen Gebiete zu bringen. Die Sicherheit der syrischen und ausländischen Mitarbeiter sei nicht mehr gewährleistet.

Schwere Kämpfe trotz Forderung nach Waffenruhe

Trotz der US-Forderung nach einer sofortigen Waffenruhe und Sanktionen liefern sich die türkischen Truppen in Nordsyrien weiter erbitterte Kämpfe mit der Kurdenmiliz YPG. Die von der YPG geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) hätten einen Gegenangriff begonnen und die wichtige Grenzstadt Ras al-Ain zurückerobert, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Türkische Truppen hatten den Ort mit Unterstützung von Rebellen der sogenannten Syrischen Nationalarmee zwei Tage zuvor unter ihre Kontrolle gebracht. Kurdische Quellen bestätigten den Gegenangriff und die Eroberung von Ras al-Ain. Die Kurdenmilizen hätten auch das nahe gelegene Dorf Tall Halaf am Stadtrand von Ras al-Ain eingenommen. Eine offizielle Bestätigung aus Ankara gab es nicht.

Der Sender CNN Türk berichtete, in der Nacht habe es schwere Gefechte in Ras al-Ain gegeben. Türkische Truppen versuchten, YPG-Kämpfer in Verstecken aufzuspüren. In der Stadt Manbij wurde nach offiziellen Angaben ein türkischer Soldat getötet und 18 weitere verletzt.

Nach anderen europäischen Ländern erklärte am Dienstag auch Großbritannien, es würden vorerst keine Waffen mehr an die Türkei geliefert, die für die Militäroffensive in Nordsyrien genutzt werden könnten. Man werde den Export sehr genau kontrollieren, sagte Außenminister Dominic Raab. Die britische Regierung sei von der Militäroffensive der Türkei "tief enttäuscht".

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußerte nach einem Gespräch mit dem britischen Premierminister Boris Johnson Verständnis für das Vorgehen. "Es zeigt, dass viele NATO-Staaten sehr kritisch sind und die Militäroperation in Syrien verurteilen", sagte der Norweger. Er selbst habe bereits am Freitag ernsthafte Bedenken geäußert.