Wenn am Montag in Jerusalem bei der staatlichen Empfangszeremonie für Alexander Van der Bellen die Bundeshymne erklingt, dann wird neben den protokollarisch aufgefädelten israelischen und österreichischen Würdenträgern auch ein Elefant im blühenden Garten der Präsidentenkanzlei stehen. Das Verhältnis der beiden Länder hat über die Jahrzehnte zwischen Phasen korrekter Freundlichkeit und erbitterter Aversion geschwankt, doch jetzt ist es einfach bizarr, denn es befindet sich zugleich auf einem Höhe- und Tiefpunkt.

Österreichs Bundespräsident und seine Gastgeber werden einander ein paar Tage lang bei jeder Gelegenheit ihrer gegenseitigen Freundschaft und Wertschätzung versichern. Ja, aber gleichzeitig boykottiert Israel die Hälfte der österreichischen Bundesregierung, auch wenn man das nach außen hin angestrengt ignorieren wird.

Mit Norbert Hofer gäbe es jetzt keinen Staatsbesuch

Der Ausgang von österreichischen Wahlen hat schon mehrmals Auswirkung auf die Beziehungen zu Israel gehabt, etwa die „Jetzt erst recht“-Kür von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten 1986 oder die „schwarz-blaue Wende“ von 1999/2000. Die Bundespräsidentenwahl von 2016 hätte eine Auswirkung haben können, denn wenn Norbert Hofer gewonnen hätte, dann gäbe es jetzt keinen Staatsbesuch in Israel. Das Ergebnis der letzten Nationalratswahl 2017 wiederum hat Israels Außenamt zwar in eine gewisse diplomatische Verlegenheit gebracht, die Israelis aber nicht wirklich beschäftigt – kein Vergleich mit der Erregung über den Erfolg der Haider-FPÖ 18 Jahre zuvor.

Damals berief Israel seinen Botschafter aus Wien ab, der israelische Außenminister wetterte im Parlament gegen den „Aufstieg einer neonazistischen Partei“, vor der österreichischen Botschaft in Tel Aviv skandierten Demonstranten „Stoppt den Rassismus“, und Österreich war wochenlang in den israelischen Schlagzeilen. Nun hat die FPÖ zwar wieder mehr als ein Viertel der Stimmen bekommen und darf wieder mitregieren, aber Israels offizielle Reaktion war diesmal abwartend und lakonisch. Man werde intern erörtern, „wie Israel sich gegenüber der neuen Regierung verhalten wird“, hieß es bloß. Seither ist mehr als ein Jahr vergangen, und bis auf Weiteres bleibt es halt einfach dabei, dass Kontakte zu von der FPÖ gestellten Regierungsmitgliedern verboten sind.

"Der jüngste Regierungschef seit Napoleon"

Diese gleichgültige Haltung kann Benjamin Netanjahu, zugleich Premier und Außenminister, sich auch deswegen leisten, weil der neuerliche Erfolg der FPÖ auch bei den israelischen Medien keine wirkliche Empörung ausgelöst hat. Natürlich wurde missbilligt, dass eine Partei „mit antisemitischen, nazistischen und antisemitischen Wurzeln“ nun in Österreich das Innen- und das Verteidigungsministerium kontrolliert. Beinahe mehr Raum als die kritischen Analysen der FPÖ bekamen in der Berichterstattung aber die Porträts von Bundeskanzler Sebastian Kurz, den man zuvor kaum wahrgenommen hatte. „Das ist der jüngste europäische Regierungschef seit Napoleon“, staunte ein Kommentator.

Kurz, der schon als Außenminister nicht weniger als drei Mal in Israel gewesen war, setzte dann bei seinem Besuch im letzten Juni neue Maßstäbe. Derart freundliche Worte hatten die Israelis noch nie zuvor von einem österreichischen Bundeskanzler gehört. Europa müsse mehr Verständnis für Israels schwierige Sicherheitslage haben, betonte Kurz in jedem Interview und in jeder Ansprache, dafür wolle er sich während Österreichs EU-Ratspräsidentschaft einsetzen. Und Netanjahu gab beim gemeinsamen Presse-Statement die Umarmung zurück: Israel sei dankbar für vieles, was Kurz schon getan habe, er habe „die Beziehungen der beiden Länder auf ein neues Niveau gehoben“. In einer großen Rede vor dem American Jewish Committee in Jerusalem gebrauchte Kurz dann gar erstmals die Formulierung, der Schutz Israels müsse für Österreich „Staatsräson“ sein, und bekam stehende Ovationen.

Die Frage, wie die Hochachtung für Kurz mit der Ächtung seiner Koalitionspartner vereinbar ist, wird in Israel kaum gestellt, schon allein deswegen, weil man hier dringlichere Probleme hat und über Österreich wenig weiß. Der rührigste Vorkämpfer für Kontakte mit der FPÖ ist Jehuda Glick, ein weit rechts stehender Abgeordneter von Netanjahus Likud-Partei. „Die gegenwärtige Regierung ist die am stärksten projüdische und proisraelische, die Österreich je hatte“, argumentiert Glick, und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache habe „bewiesen, dass er total gegen Rassismus und Antisemitismus ist“.

Was Andreas Herzog für die Beziehungen leistet

Amir Peretz von der Arbeiterpartei hingegen ist zwar ein glühender Oppositioneller, befürwortet aber Netanjahus Politik gegenüber der FPÖ: „Jede antisemitische Partei soll wissen, dass die Rechte und die Linke in Israel vereint sind, wenn es gegen den Antisemitismus geht.“

Für Netanjahu ist es realpolitisch wohl am bequemsten, sich einfach nicht zu bewegen. Eine Annäherung an die FPÖ brächte keinen zusätzlichen Vorteil, dafür zusätzliche Kritik, wie Netanjahu sie schon für seinen amikalen Umgang mit rechtspopulistischen Europäern wie Viktor Orbán und Matteo Salvini einstecken musste. Und wenn Netanjahu von Österreich etwas brauchen sollte, hat er ja ohnehin den heißen Draht zum Bundeskanzler.

Wie auch immer – die Avancen, die schon Kurz den Israelis gemacht hat, wird Van der Bellen nicht toppen können. Und offizielle Besuche mit feierlichen Erklärungen sind ja ohnehin nicht wirklich das Mittel, das Völker verbindet. Den Titel des in Israel bekanntesten lebenden Österreichers hat bis auf Weiteres Andreas Herzog gepachtet, der seit letztem Sommer die israelische Fußballnationalmannschaft trainiert und damit mehr für die bilateralen Beziehungen leistet, als jeder Politiker es könnte.