Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan steuert auf einen deutlichen Wahlsieg zu. Nach Auszählung von rund 23 Prozent der Stimmen haben ihn rund 60 Prozent der Wähler in seinem Amt bestätigt, in dem er nach der jüngsten Verfassungsänderung künftig weitreichende Befugnisse hat.

Erdogan wird ohne Ministerpräsident an der Spitze der Regierung stehen und kann mit Dekreten das Parlament teilweise umgehen. Auf seinen stärksten Herausforderer Muharrem Ince von der Republikanischen Volkspartei CHP entfielen bis dahin rund 25 Prozent der Stimmen.

Bei der Parlamentswahl entfielen den ersten Ergebnissen zufolge auch die meisten Stimmen auf Erdogans AK-Partei. Aktuell, nach Auszählung von knapp 19 Prozent der Stimmen, lag die AKP bei der Hälfte aller Stimmen. Sie hat aber eine Allianz mit der nationalistischen MHP, die auch bei über 10 Prozent der Stimmen lag.

Die Wahlen galten als Richtungsentscheidung für den türkischen Staat, denn das von Erdogan durchgesetzte Präsidialsystem bringt ihm eine immense Machtfülle. Seine Kritiker sehen das Land auf dem Weg in eine autokratische Herrschaft.

Erdogans Herausforderer Ince versprach, diesen Kurs umzukehren. Er konnte trotz des von Erdogan vorgezogenen Wahltermins zwar viele Bürger mobilisieren. Offenkundig reichte dies aber nicht aus, einen Wechsel an der Spitze des Staates zu erreichen.

Die Oppositionspartei CHP erklärte, es habe Informationen über Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung gegeben. Sie seien an die Zentrale Wahlkommission weitergeleitet worden. Justizminister Abdülhamit Gül sagte laut Anadolu bei der Stimmabgabe in der Stadt Gaziantep, es gebe keine Berichte über Unregelmäßigkeiten. Die Opposition und nichtstaatliche Organisationen hatten nach eigenen Angaben eine halbe Million Wahlbeobachter im Land eingesetzt. Gegen zehn ausländische Bürger, darunter auch Deutsche, seien "rechtliche Maßnahmen" ergriffen worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Sie hätten erklärt, als Wahlbeobachter tätig zu sein, seien aber nicht akkreditiert gewesen.

Erdogan selbst sprach nach seiner Stimmabgabe in Istanbul von einer "demokratischen Revolution". Mit dem neuen Präsidialsystem werde die Türkei eine neue Stufe erreichen, über dem Niveau heutiger Zivilisationen. Ince hatte gewarnt: "Wenn Erdogan gewinnt, werden eure Telefone weiter abgehört, und Furcht wird herrschen."

Wahlbeobachter meldeten aus dem Südosten der Türkei Unregelmäßigkeiten. CHP-Sprecher Bülent Tezcan, sagte, in der südöstlichen Provinz Sanliurfa sei am Sonntag versucht worden, Wahlbeobachter mit "Schlägen, Drohungen und Angriffen" von den Urnen fernzuhalten. Im Bezirk Suruc in Sanliurfa "laufen bewaffnete Personen ganz offen herum". Auch die regierungskritische Wahlbeobachter-Plattform dokuz8haber berichtete über Unregelmäßigkeiten in Sanliurfa und in anderen Provinzen.