Salzburger Nachrichten:

Wie ernst meinen es eigentlich die ÖVP-Granden mit ihrer am gestrigen Muttertag getroffenen Entscheidung, die Volkspartei in einen Wunderkind-Wahlverein (um das böse Wort "Führerpartei" zu vermeiden) umzuwandeln? Die mächtigen schwarzen Bünde- und Länderchefs haben noch jedem neuen Parteiobmann bei dessen Amtsantritt jede seiner Forderungen erfüllt, nur um ihn alsbald in den Ebenen der Tagespolitik ausrutschen zu lassen. Gewiss, Sebastian Kurz hat seine Machtübernahme besser vorbereitet, und er ist aus härterem Holz geschnitzt als jeder seiner Vorgänger mit Ausnahme Wolfgang Schüssels. Und dennoch: Er wird seine Vorstellungen nur dann durchbringen können, wenn er seinen Parteifreunden ehebaldigst den Erfolg in Gestalt des Kanzlersessels bringt. Misslingt ihm das bei den herbstlichen Wahlen, werden die alten, von Kurz eingeschläferten Machtstrukturen zu neuem Leben erwachen. Und Kurz könnte eine noch kürzere Amtszeit beschieden sein als seinen Vorgängern.

Die Presse:

Jeder Chef eines größeren Unternehmens in Österreich hat das: eine Hoheit über das Personal und die strategische Ausrichtung seiner Firma. Ja, er kann sich sogar den Namen seines Unternehmens aussuchen. Der ÖVP-Obmann bekommt so etwas nun auch. Nicht mehr die Abteilungsleiter in den Ländern und Bünden schaffen an, sondern der Chef. So weit, so unspektakulär eigentlich. Nur in der ÖVP war das bisher eben nicht üblich. Auch der umjubelte Emmanuel Macron braucht wahrscheinlich keine Bünde- und Länder-Obleute zu fragen, wen er auf die Liste für die kommenden Wahlen zur Nationalversammlung setzt. Dazu passen auch die Krokodilstränen, die viele Linke derzeit wegen Reinhold Mitterlehner vergießen. Gewählt hätten sie ihn zwar nicht, aber er war halt noch ein „anständiger“ Christdemokrat. Ja, das war er eh. Aber auch ein konzilianter Koalitions- und Sozialpartner, der keine Wahl gewonnen und der SPÖ den Kanzler gesichert hätte.

Kurier:

Wenn sich dann alle beruhigt haben, dass Kurz die ÖVP nicht mehr so ernst nimmt, sollten wir endlich zu den wichtigen Fragen für Österreich kommen. Positiv war gestern die Ansage von Kurz, vor der Wahl noch einige Projekte dieser Regierung umzusetzen. Wenn das gelingt, könnte sich auch die momentane Aufgeregtheit in der Polit- und Journalistenblase wieder legen. Es geht um wichtigeres als das Innenleben der ÖVP, es geht um Ideen für ein (noch) starkes Industrieland, das aber viel schneller, offener und flexibler werden muss.

Der Standard:

Die für Kurz entscheidende Frage ist, ob ihm diesmal eine echte Verbreiterung gelingt oder ob er die ÖVP nur mit ein paar Namen behübscht und sonst den kleinen Diktator in einer ehemals großen Partei gibt, der er jetzt seinen Willen aufzwingt - und die mangels Alternativen bereit ist, sich zu unterwerfen und für die Inszenierung ihres vermeintlichen Superstars nur noch die Statisten zu stellen. Für Kern ist das eine Chance. Dieses Gegenüber in einer Wahlauseinandersetzung, das alles verkörpert, was die SPÖ hasst und fürchtet, sollte in seiner Partei alle Kräfte mobilisieren, die keinerlei Ansprüche mehr gestellt haben, wie im Westen des Landes, oder die sich gegenseitig bekämpft haben, wie in Wien.

Tiroler Tageszeitung:

Diese Umstrukturierung lässt breiten Raum für Interpretationen. Kritiker sprechen von der Selbstaufgabe der ÖVP. Befürworter sehen darin die einzige Möglichkeit, neue, vor allem junge Mitglieder anzusprechen, um so den schwarzen Sinkflug zu stoppen. Inwieweit die Funktionäre in den Bundesländern bereit und in der Lage sind, Kurz' atemberaubendes Tempo mitzugehen, wird sich weisen. Immerhin galt die bisherige Struktur der ÖVP mit starken Bundesländern und ebenso starken bündischen Vertretungen unter anderem auch als Garant dafür, dass den zentralistischen Bestrebungen in Wien ein entsprechender föderalistischer Wind aus den Bundesländern entgegenblies. Jede Abweichung von dieser Linie würde unweigerlich heftigen Protest hervorrufen.

Neues Volksblatt:

Reinhold Mitterlehner ortete "die Notwendigkeit, unser Erscheinungsbild zu überdenken", Sebastian Kurz sagte: "Unabhängig davon, wer die Führung in der ÖVP übernimmt: aus meiner Sicht ist klar, so wie's war, so kann es nicht bleiben". Letzteres ist nun der Fall: Es soll tatsächlich nicht viel vom alten Erscheinungsbild bleiben. Wobei der Markenauftritt der neuen Kurz-ÖVP das eine ist, der Markenkern das andere. Denn die ÖVP als Volkspartei muss nicht neu erfunden werden -- schon deswegen nicht, weil sie etwa in vielen Bundesländern eine sehr erfolgreiche Partei ist.

Auch die ausländischen Medien lässt Kurz und der Umbau der ÖVP nicht kalt:

"Kurz will Ösi-Groko platzen lassen" titelte etwa bild.de.

Kurz und die ÖVP in der Bild-Zeitung
Kurz und die ÖVP in der Bild-Zeitung © Screenshot/bild.de

"Kurz ist so mächtig wie kein ÖVP-Chef vor ihm", heißt es auf sueddeutsche.de.

Kurz und die ÖVP in der Süddeutschen
Kurz und die ÖVP in der Süddeutschen © Screenshot/Süddeutsche

"ÖVP bestimmt Kurz zum Parteichef" heißt es lapidar auffaz.net.

Kurz und die ÖVP in der Frankfurter Allgemeinen
Kurz und die ÖVP in der Frankfurter Allgemeinen © Screenshot/FAZ

"Österreich, Kurz ist die neue Spitze der ÖVP: Ja zu vorgezogenen Wahlen" heißt es aufrepubblica.it.

Kurz und die ÖVP in der italienischen Repubblica
Kurz und die ÖVP in der italienischen Repubblica © Screenshot/repubblica.it

"Kurz will Koalition mit SPÖ beenden" heißt es auf spiegel.de.

Kurz und die ÖVP im Spiegel
Kurz und die ÖVP im Spiegel © Screenshot/spiegel.de