Die EU-Kommission will den Staaten mehr Spielraum für Strukturreformen innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspaktes geben. Die im Zuge des 315 Mrd. Euro schweren Investitionsplans veröffentlichten Leitlinien sehen im wesentlichen vor, dass Länder im Defizitverfahren - wie Frankreich, Spanien oder Slowenien - in speziellen Bedingungen mehr Zeit für die Korrektur ihres Defizits bekommen.

Dazu müssen die Staaten aber einen strikten Reformplan vorlegen. Ein Ausbleiben der Reformen werde dazu führen, dass das Defizitverfahren umso strikter vorangetrieben wird, erklärte die EU-Kommission. In letzter Konsequenz kann die EU milliardenschwere Strafen vorschlagen und Zahlungen aus EU-Fonds für den betroffenen Defizitsünder aussetzen.

Mehr Flexibilität

Für Länder, wie etwa Österreich, gegen die kein Defizitverfahren läuft, bietet die neue Flexibilität zusätzliche Möglichkeiten. Sie können unter Berufung auf Strukturreformen maximal 0,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung von ihrem mittelfristigen Budgetkonsolidierungsziel abweichen, sofern damit nicht die Drei-Prozent-Defizitgrenze überschritten wird und die Konsolidierung binnen der vier Jahre des Stabilitätsprogrammes erreicht wird.

Was dies konkret für die Länder bedeutet, wird in den nächsten Monaten auszuhandeln sein, wenn die EU-Kommission ihre länderspezifischen Reformempfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters vorgibt und weitere Schritte in dem laufenden Defizitverfahren anstehen. Solche Verfahren laufen gegen Irland, Slowenien, Frankreich, Malta, Portugal, Spanien, Polen, Großbritannien und Kroatien. Griechenland, Zypern und Rumänien stehen als "Programmländer" unter gesonderter Aufsicht.

Investitionen stärker berücksichtigen

Unter Strukturreformen versteht die EU-Kommission eine breite Palette von Änderungen bei Arbeitsmarkt, Steuern bis hin zur Liberalisierung geschützter Bereiche, nicht allerdings Pensionsreformen, denn diese beurteilt die EU-Behörde nach anderen Kriterien. Rein technisch betrachtet ist für die Berechnung des Defizits auch nicht die EU-Kommission sondern das EU-Statistikamt Eurostat zuständig.

Eine zusätzliche "Investitionsklausel" im Euro-Stabilitätspakt soll künftig stärker berücksichtigt werden. Bisher wurde dieses Klausel nur von Bulgarien, der Slowakei und Rumänien angewendet. Sie steht nur jenen Ländern offen, gegen die kein Defizitverfahren läuft. Wenn sich das Wirtschaftswachstum weit unter dem Potenzial entwickelt - also mehr als 1,5 Prozent darunter liegt -, dürfen diese Länder zeitlich befristet vom Konsolidierungsziel abweichen.

Kofinanzierung

Die Investitionen müssen von der EU kofinanziert sein, etwa über die Struktur- und Kohäsionspolitik, die Transeuropäischen Netze (TEN) oder über den neuen EU-Fonds für Strategische Investitionen (EFSI). Auch hier darf die Abweichung vom Konsolidierungskurs nicht zur Verletzung der Drei-Prozent-Defizitgrenze führen.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Interpretation bedarf keiner neuen Rechtsakte, hieß es in der EU-Behörde. "Wir ändern die Regeln nicht", versicherte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Die flexiblere Auslegung soll umgehend Anwendung finden.