"Servus, ihr Lieben": Mit ruhiger Stimme begrüßt Renate Kaufmann ihre Followerinnen und Follower. Auf TikTok, einer Plattform, die von Schnelligkeit lebt, fällt die 67-Jährige auf. Nicht nur wegen ihres Alters, sondern auch, weil ihre Videos nicht auf Hochglanz poliert und in doppelter Geschwindigkeit abgespielt werden.

Fast 200.000 Menschen folgen Renate Kaufmann, die unter dem Namen "Frag die Oma" aktiv ist, auf ihren Social-Media-Kanälen. Auf TikTok sind es knapp 75.000 Follower, auf Instagram - hier ist sie erst seit vergangenem November aktiv - vereint die Wienerin bereits 119.000 Follower hinter sich. "Das war fast unheimlich, wie das gestiegen ist", erinnert sich die 67-Jährige im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Wenn Oma unter die TikToker geht

Dass sie mal auf TikTok durchstarten würde, damit hätte Renate Kaufmann nicht gerechnet. Bis vor wenigen Jahren war sie als Bezirksvorsteherin des Wiener Gemeindebezirks Mariahilf aktiv. Auf die Frage hin, wie sie denn auf die Idee gekommen sei, eigene TikTok-Videos zu produzieren, antwortet sie trocken: "Gar nicht." Dahinter würden tatsächlich ihre Enkel stecken. Aber der Reihe nach.

Begonnen hat eigentlich alles mit einem Blog. Den hat Renate Kaufmann 2019 ins Leben gerufen, weil sie, wie sie sagt, ein Leben lang Ideen und Rezepte gesammelt hat. "Eigentlich wollte ich ein Kochbuch machen, die Anfrage eines deutschen Verlags lag schon vor", erinnert sie sich. "Aber ein Kochbuch ist so etwas Endgültiges. Nach 150 Rezepten habe ich nicht aufhören können. Also dachte ich mir, dass ich es mit einem Blog probiere."

"Frag die Oma": Renate Kaufmann in ihrem Element. Aufgenommen wurde das Foto an ihrem Zweitwohnsitz, in Haus am Ennstal
"Frag die Oma": Renate Kaufmann in ihrem Element. Aufgenommen wurde das Foto an ihrem Zweitwohnsitz, in Haus am Ennstal © KK

"Oma, du musst TikTok machen"

Als der Blog live geht, lassen die positiven Rückmeldungen nicht lange auf sich warten. Kaufmann ist zufrieden, ihre Enkelkinder hingegen weniger. Sie sagen: "Oma, du musst TikTok machen." Vergangenen Sommer beim Campingurlaub in Kärnten kann sie sich dem Drängen ihrer Enkel nicht weiter entziehen. Auslöser ist die Knoblauchbutter der Oma, von der die Enkel so begeistert sind, dass sie auch andere daran teilhaben lassen wollen, als Rezept via TikTok. "Das schaut sich kein Mensch an", vermutet Oma Renate damals.

Doch Kaufmann wird eines Besseren belehrt. Als sie sieht, wie viele Menschen ihr Video anschauen, packt sie die Lust, weiterzumachen: "So ein Erfolg war nicht zu erwarten. Ich würde lügen, würde ich behaupten, es hat mir keine Freude bereitet. Wer freut sich nicht über Lob und Anerkennung?!" Und so tüftelt die 67-Jährige weiter in der Küche und lädt mehrmals pro Woche Videos von neuen Rezepten hoch. Sie wolle zeigen, dass man fast alles selbst machen kann: "Mir ist es wichtig, dass man sich natürlich gesund ernährt und nicht nur Fast Food reinzieht."

Unterstützung erhält sie dabei von ihrem Ehemann, der sie beim Kochen filmt: "Das Schönste ist, wenn ich die Schweinerei, die ich in der Küche gemacht habe, verlassen kann. Mein Mann putzt und wäscht und ich kann mit dem Handy in mein Kammerl gehen und die Videos bearbeiten." 

Niederösterreicherin (91) auf TikTok: Die "trudeoma"

Gekocht wird auf dem TikTok-Kanal von Gertrude Lechner eher weniger. Als "lustig, ehrlich, direkt" beschreibt die Mostviertlerin sich auf ihrem TikTok-Account. Dass sie das tatsächlich ist, wird einem als Zuschauer nach nur wenigen Sekunden klar. Mal nennt die 91-Jährige den Kleidungsstil ihrer Enkelin einen "Fetzenhaufen", mal lässt sie sich über die "Jugend von heute" aus, mal kommentiert sie das Tattoo der Enkelin mit den Worten: "Schaust dich an, das bringst nie wieder weg, den Schas".

Für ihre direkte Art ist sie in ihrer Familie schon seit Längerem bekannt. Im Mai 2021 kommt Lechners Urenkelin auf die Idee, ein Video von "trudeoma" aufzunehmen und auf der Plattform hochzuladen. Lechners Enkelin Kathrin Stefan ist es schließlich, die sich fortan um die "Video-Produktion" kümmert und beginnt, ihre Oma nahezu täglich in Alltagssituationen zu filmen. 

Erfolgsgeheimnis: Einfach man selbst sein

Fast 95.000 Menschen folgen "trudeoma" mittlerweile auf TikTok. Dass die Videos so gut ankommen, überrascht Gertrude Lechner. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass solche für mich normalen Videos so gut bei den Leuten ankommen." Das Erfolgsgeheimnis der 91-Jährigen Niederösterreicherin: "Ich bin, wie ich bin und verstelle mich nicht. Ich bleibe mir selbst treu." 

Die Mostviertlerin Gertrude Lechner (91) ist seit 2021 auf TikTok aktiv. Die Videos macht ihre Enkelin Kathrin Stefan.
Die Mostviertlerin Gertrude Lechner (91) ist seit 2021 auf TikTok aktiv. Die Videos macht ihre Enkelin Kathrin Stefan. © KK

Auch die 67-jährige Renate Kaufmann ("Frag die Oma") ist nach wie vor verwundert, dass ihre Videos so beliebt sind. Sie vermutet: "Bei mir ist alles ehrlich, da ist kein Trick und kein Schickimicki dahinter. Die Leute haben einfach den Nutzen der Rezepte." Was aber sicherlich auch hinzu komme, sei, dass sie bei Vielen positive Emotionen an die eigene Oma erwecke. Davon zumindest würden ihr Followerinnen und Follower in Nachrichten immer wieder berichten.

Auf die Frage hin, ob sie sich selbst als Influencerin sehe, erwidert die 67-Jährige: "Influencerin mag ich keine sein. Das heißt Beeinflussen. Ich will den Leuten eher helfen, ein gesundes, glückliches Leben zu führen."

Appell an jüngere Generationen: "Alles hinterfragen"

Von jüngeren Generationen wünscht Kaufmann sich, dass die auf Social Media präsentieren Inhalte mehr kritisch hinterfragt werden. Das gelte auch für ihre eigenen Videos: "Auch die können gerne kritisch hinterfragt werden." Gertrude Lechner alias "trudeoma" hingegen wünscht sich von jüngeren Generationen, dass diese das Leben in der heutigen Zeit mehr zu schätzen wissen: "Ich bin mittlerweile 91 Jahre auf dieser Welt und habe auch sehr viel schlechtere Zeiten miterleben müssen." 

Natürlich könne die 91-Jährige von den Jungen aber auch lernen und bezieht sich beispielhaft auf ihre Enkelin Kathrin, die chaotisch in den Tag startet, am Ende des Tages alles aber genauso bravourös meistert. "Es muss nicht immer alles genau nach Plan laufen", so die Mostviertlerin, die aktuell damit beschäftigt ist, selbstgemachte Ringelblumensalbe und Kräutertee für ihre Familie herzustellen. "Ohne Stress in den Tag starten tut auch mal gut."