Der auch für Tierschutz zuständige Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hat heute, Freitag, die Spitzen des Lebensmittelhandels zu einem "Tierwohlgipfel" geladen. Bei den Gesprächen stand eine Branchenvereinbarung für ein Tierhaltungskennzeichen im Mittelpunkt, die künftig für mehr Tierwohl sorgen soll. "Wir müssen anfangen, Tiere als Lebewesen zu sehen und nicht als Produkt", sagte Rauch beim "Doorstep" vor dem Gipfel.

Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Mitte) mit Vertreterinnen von Supermarktketten
Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Mitte) mit Vertreterinnen von Supermarktketten © APA/ROLAND SCHLAGER

Konsumentinnen und Konsumenten sollen damit die Möglichkeit bekommen, sich bewusst für Fleisch mit höheren Haltungsstandards zu entscheiden. Die teilnehmenden Lebensmittelhandelsketten Hofer, Lidl, Rewe und Spar sprachen sich bereits im Vorfeld für die Entwicklung eines Tierhaltungskennzeichens aus. Auch die AMA-Marketing begrüßte das Vorhaben.

Einigung bis Ende des Jahres

"Wir haben uns zusammen darauf geeinigt, bis Ende des Jahres in einem gemeinsamen Prozess eine entsprechende Kennzeichnung der Tierhaltungsform für Fleischprodukte zu erarbeiten", bilanzierte Rauch nach dem Treffen.

Eine künftige Tierhaltungskennzeichnung soll es demnach Konsumentinnen und Konsumenten ermöglichen, mit einem Blick zu erkennen, welchem Tierhaltestandard die gekauften Fleischprodukte entsprechen. Geplant ist laut Gesundheitsminister auch, die Agrarmarkt Austria (AMA) einzubeziehen.

Landwirte nicht mit am Tisch

Bisher verfolgen die Handelsketten jeweils eigene Strategien zum Thema Tierwohl und wollen für ihre Lieferanten generell strengere Vorschriften einführen. Klare Vorgehen von staatlicher Seite werde daher seitens des Handels stark begrüßt. Allerdings betonen die Konzerne, dass der Wandel wohl nur mit Förderungen für die Landwirte machbar sei.

Allerdings fehlten eben die Landwirte, also die Produzenten, bei dem Treffen. "Wir finden es inakzeptabel, die Praktiker – und das sind an vorderster Front die Bäuerinnen und Bauern – in solche Diskussionen wie die heutige nicht einzubinden", beschwert sich Josef Moosbrugger, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich. "Auf so einen Tisch gehören nicht nur Handels- und Ministeriumsbosse, sondern auch Vertreterinnen und -vertreter aus der Praxis – also jene Menschen, die von der Tierhaltung leben müssen."

Prinzipiell unterstütze die Landwirtschaftskammer eine freiwillige Kennzeichnung für tierfreundliche Haltungsformen. "Allerdings gebe ich zu bedenken, dass das Tierwohl-Angebot schon derzeit größer als die Nachfrage ist. Hinzu kommt, dass infolge der aktuellen Inflationsdebatte das Premiumsegment verliert und die Konsumenten verstärkt auf den Preis achten“, sagt der LKÖ-Präsident. Wenn sich der Lebensmittelhandel schon für eine verstärkte Tierwohl-Kennzeichnung ausspreche, fordert Moosbrugger auch eine Offenlegung der Marktanteile dieser Produkte und kontrollierbare Ziele.

Bio Austria nannte die "verpflichtende Kennzeichnung von Fleisch nach Haltungsform richtig und notwendig. Am Beispiel der Kennzeichnung von Eiern ist ersichtlich, wie eine solche Maßnahme zu einer Win-Win-Win Situation für alle wird - für die Bäuerinnen, die KonsumentInnen und für die Tiere", betonte Bio Austria-Obfrau Gertraud Grabmann. "Wesentlich wird sein, dass das Modell leicht zu unterscheidende Stufen enthält."

Proteste von Tierschützern vor dem Ministerium

Vor dem Sozialministerium protestierten heute Aktivistinnen und Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace für die rasche Einführung eines Tierhaltungskennzeichens. Die Aktivisten kritisieren die mangelnde Transparenz bei Fleischprodukten und die Standards der AMA-Zertifizierung. So würde selbst AMA-zertifiziertes Fleisch nicht einmal die deutschen Tierhaltungs-Mindestkriterien erfüllen.

Erst gestern, Donnerstag, wurden Bilder vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) veröffentlicht, die dramatische Zustände in einem AMA-zertifizierten Mastbetrieb zeigten. So sollen etwa tote Tiere unter den lebenden gelegen haben. Der VGT sprach von katastrophalen Zuständen mit zahllosen toten Tieren in verschiedenen Verwesungsstadien. Knochenreste würden beweisen, dass die Betreiber die toten Tiere sehr lange nicht entfernt hätten, hieß es in einer Aussendung des Vereins gegen Tierfabriken. Der VGT erstattete Anzeige gegen den Schweinemastbetrieb. "Dieser Vorfall zeigt, dass das System nicht stimmt", so Rauch vor den Gipfelgesprächen. Daher arbeite man nun auch an einer Systemumstellung, damit "so etwas nicht mehr vorkommen kann".