Der befürchtete Anstieg der Armut durch die Coronapandemie ist in Österreich ausgeblieben. Das zeigt eine Erhebung der Statistik Austria. Ein wichtiger Grund dafür sind Sozialleistungen aber auch Kurzarbeit. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sah in einer Aussendung den Beleg dafür, dass die Politik der Regierung Schlimmeres verhindert habe. Hilfsorganisationen warnten vor der Zukunft.

Im vorherigen Jahr sind laut der Erhebung 160.000 Personen in Österreich erheblich materiell und sozial benachteiligt gewesen. Das bedeutet nach EU-Definition, dass sie sich mehrere grundlegende Ausgaben zur Sicherung des Mindestlebensstandards nicht leisten konnten. Mit 1,8 Prozent der Bevölkerung in Österreich unter den 3 Prozent aus dem Jahr 2020. Dennoch haben sich nicht alle Daten verbessert: Eine leichte Verschlechterung von 18 auf 19 Prozent zeigt sich etwa bei der Unmöglichkeit unerwartete Ausgaben zu tätigen.

Spürbare Auswirkungen auf Beschäftigung

Deutliche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die Beschäftigung. Im Jahr 2021 waren deutlich mehr Haushalte von Erwerbslosigkeit oder geringer Erwerbsintensität betroffen: 469.000 Personen beziehungsweise 7,4 Prozent der unter 64-Jährigen lebten in Haushalten, in denen nur eine geringe Erwerbsintensität erreicht wurde. 2020 waren es noch 6,1 Prozent.

Bewährt hat sich allerdings die Kurzarbeit. Menschen, die 2020 von diesem Instrument profitierten, waren zu acht Prozent armutsgefährdet. Dieser Wert unterschied sich kaum von jenem der Personen, die das ganze Jahr erwerbstätig waren – dort lag er bei sieben Prozent. Zum Vergleich: Langzeitarbeitslose hatten mit 57 Prozent Armutsgefährdung ein erheblich höheres Armutsrisiko. Auf das hohe Armutsrisiko bei Arbeitslosen müsse bei der anstehenden Reform der Arbeitslosenversicherung ein besonderes Augenmerk gelegt werden, erklärt Rauch.

Sozialleistungen als Einnahmequelle

Sozialleistungen sind durch die Pandemie für mehr Haushalte zu einer bedeutsamen Einkommensquelle geworden. Sie reduzierten die Armutsgefährdungsquote im Vorjahr um 44 Prozent. Über eine Million Menschen bzw. zwölf Prozent der Bevölkerung hatten im ersten Jahr der Coronakrise hauptsächlich Einkünfte aus staatlichen Sozialtransfers, wie Arbeitslosen- oder Familienleistungen. Dabei hätten diese Haushalte zumeist einen deutlich geringeren finanziellen Spielraum als andere, erklärt Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas.

Haushalte mit Sozialleistungen als hauptsächliche Einnahmequelle waren häufiger mit Miete oder anderen regelmäßigen Zahlungen in Rückstand als andere (14 Prozent vs. 4 Prozent) und hatten vielfach Probleme, unerwartete Ausgaben zu leisten (50 Prozent vs. 14 Prozent). Auch Freizeitaktivitäten auszuüben, die mit Kosten verbunden sind, war für hauptsächlich Sozialleistungsbeziehende seltener möglich als für den Rest der Bevölkerung. 19 Prozent der hauptsächlich Sozialleistungsbeziehenden konnten sich diese gar nicht leisten, beim Rest der Bevölkerung sind es nur vier Prozent.

Rauch meinte in einer Aussendung, ohne Sozialleistungen und Pensionen wäre fast jeder zweite in Österreich lebende Mensch armutsgefährdet. Die Erhebung zeige, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zur Abfederung der sozialen Folgen der Pandemie Schlimmeres verhindert hätten.

Volkshilfe sieht Warnsignal für die Zukunft

Dennoch unzufrieden ist die Volkshilfe. Denn: Bereits vor zwei Jahren sei von der Regierung die Halbierung der Armut versprochen worden. Zudem seien in den Zahlen aus 2021 noch nicht die Folgen der Teuerung abgebildet. Caritas-Generalsekretärin Anna Parr sprach von einem "Warnsignal" an die Politik: "Es sind heute mehr Menschen von Armut gefährdet als vor der Pandemie – und dies trotz zahlreicher Maßnahmen, die aufgrund der Krise zusätzlich umgesetzt wurden."

Effektive Hilfen brauche es bei Kinderarmut, Arbeitslosigkeit und der Situation von Alleinerziehenden, merkte die Armutskonferenz an. Die SPÖ-Frauen fordern eine Unterhaltsgarantie, die sofortige Rücknahme der Mietpreiserhöhung vom 1. April, ein Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel und ein höheres Arbeitslosengeld. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch vermisste entsprechende Reaktionen des Sozialministers darauf, dass die Armutsgefährdungsquote um 70.000 Personen steige.