Auf Schulen und Universitäten wird ein großer Fokus gelegt, auch bei den Maßnahmen. Wird die Elementarpädagogik dabei übersehen?

MARTINA LEIBOVICI-MÜHLBERGER: Mit dieser Frage bohren Sie in einer Wunde. Ich kann nur sagen, nie mehr in unserem Leben lernen wir so viel in so kurzer Zeit wie in den ersten Lebensjahren. Das Gehirn ist wie ein Schwamm. Die Elementarpädagogik ist die allerwichtigste Pädagogik, obwohl ja angeblich der universitäre Bereich so wichtig sei. Tatsächlich ist es aber so, dass die weichenstellenden Prozesse und Lernschritte – jene, die entscheiden, ob ich irgendwann in die Universität hineinkomme – in dem Bereich der Elementarpädagogik gesetzt werden. Und hier müsste man ganz eindeutig auch den Fokus verschieben in der Wertigkeit der Elementarpädagogik.


Sollten Kinder derzeit in den Kindergarten gehen oder nicht?
Ganz wesentlich ist, dass man hier keinen sozialen Gruppendruck etabliert gegen Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten schicken. Diese Entscheidung – egal welche – muss wertfrei bleiben. Und ohne schlechtes Gewissen.


Hat es Auswirkungen auf die Sprachentwicklung junger Kinder, wenn Betreuer Masken tragen?
Man hat zwar festgestellt, dass Kinder ähnlich ins Infektionsgeschehen eingebunden sind wie Erwachsene – allerdings mit zunehmendem Lebensalter. Das heißt, die Jüngsten am wenigsten. Gerade für sie ist es jedoch so wesentlich, das Mundbild sehen zu können beim Sprechen. Ansonsten wird ihnen eine wesentliche Quelle für den Spracherwerb gestohlen. Der Schaden ist sicher um ein Vielfaches größer. Man kann das auch nicht durch Fernsehen ersetzen, da viele Programme synchronisiert sind.


Wie können Eltern ihre Kinder nun am besten unterstützen?
Es ist so wichtig, dass Kinder auf der Ebene der Gleichaltrigen Austausch haben. Es heißt auch, eine enge Bezugsperson dürfen wir Erwachsenen treffen – aber bitte auch die Kinder. Man kann die Kinder nicht so deprivieren. Die Schäden, die dadurch entstehen, die stehen in keiner Proportion. Ohne Kontakte fällt man zwar nicht um und ist tot, aber man geht ein wie eine Primel ohne Wasser.


Was bräuchte es vonseiten der Politik?
Mir scheint es so, als wären die Kinder und Jugendlichen vergessen. Wir verhandeln nur darüber, ob wir Schulen und Kindergärten aufsperren, Kinder testen oder doch nicht und wie infektiös sie sind, jedoch nicht über Bildungsinhalte.

Was macht der ständige Wechsel von Präsenzunterricht und Homeschooling mit den Kindern?

Das ist wie ein Fahren im Nebel auf unmittelbare Sicht mit all der Anspannung, die damit verbunden ist – und der Angst, wann knallen wir gegen die Wand. Gerade im Bereich der Schule wirken der Mangel an Stabilität und Planung und das Fehlen der Sozialkontakte wie Klassenkameraden massiv. Wir leben in einer Zeit von 1,4 Kindern im Durchschnitt. Das heißt, ein Kind hat zuhause 0,4 Geschwister. Das ist halt ziemlich fad. Besonders Schuleinsteiger haben noch keine Möglichkeit gehabt, sich mit dem Organismus Schule vertraut zu machen. Die Maturaklassen auf der anderen Seite hatten kaum einen Unterricht im zweiten Semester der siebten Klassen erlebt – der so wesentlich ist zu diesem Zeitpunkt. Und zudem keinen Unterricht im ersten Semester der achten Klassen.