Alles, was sterblich war an Adolf Holl, ist nun nicht mehr. 1930 geboren, ist der prominente Religionspublizist und katholische Provokateur, der seit Jahrzehnten sein Leben mit einer Topjournalistin teilte, nach langer Krankheit verstorben.

Doch nicht alles ist sterblich an Holl. Gewiss, es gibt die Dinge des Lebens, die rasch verblassen, so grell sie seinerzeit den Zeitgenossen heimleuchten mochten. Zum Klassiker wurde das Buch „Jesus in schlechter Gesellschaft“ (1971), das seinerzeit für Wirbel und Begeisterung unter den Glaubensbrüdern und -schwestern sorgte. Denn in diesem Buch, das rasch zum Bestseller aufstieg und in viele Sprachen übersetzt wurde, behauptet Holl, dass Jesus vor allem eines nicht wollte: eine fest gegründete Kirche der Macht.

Holl stand einem Jesus nahe, der sich den Armen und Verdammten dieser Erde zuwandte und die Menschen, die sich ihm anschlossen, mit einer alles umschließenden Liebe erfüllte. Das erinnert an Dostojewskis Geschichte vom Großinquisitor, der nichts so sehr fürchtet wie die reine, gewaltlose Botschaft des Gottessohnes. Freilich, Holls Jesus war keine glatte, leichtfassliche Figur des Gutmenschentums.


In seinem Buch „Der lachende Christus“ (2005) wird, im Anschluss an eine von den frühen Konzilsvätern unterdrückte Schrift, ein Jesus aufs Podest gehoben, der sich über seine Folterer lustig macht. Leicht hat es Holl seiner Kirche nicht gemacht. Aber die Kirche hat es auch Holl nicht leicht gemacht. Er hatte die Lehrbefugnis in Theologie, er war Priester, seine Predigten zogen die Leute in Massen an. Das musste schiefgehen. Er wurde seines Lehramtes enthoben, als Priester suspendiert.

Statt irgendwelchen Rachegedanken nachzuhängen, verbündete sich Holl geistig mit den Querdenkern seiner Zeit, machte ökumenische Religionssendungen fürs Fernsehen, wurde zu einem spektakulären „Club 2“-Moderator und – vor allem – ein begnadeter Vermittler religiöser Sachthemen. So unverwechselbar der Ton seiner Predigten gewesen war, so eigentümlich war sein Stil, der religiöse Themen, die sich quer durch die Menschheitsgeschichte und rund um den Erdball bewegten, leichtfüßig und ein klein wenig ironisch transportiert. Holl zu lesen, ist ein Genuss.

Im Stillen unterstützte Adolf Holl die eine oder andere arme Seele, manchen war er ein Beichtvater, mir war er ein guter Freund, mit dem ich wöchentlich telefonierte. Sein größter Bucherfolg nach dem Jesus-Buch war eine Geschichte des Heiligen Geistes, „Die linke Hand Gottes“ (1997), die ins Amerikanische übersetzt wurde und im renommierten Verlagshaus Doubleday erschien. Das Buch trägt die Widmung „P. S.“ – und nicht von ungefähr. Ich hatte viele Manuskripte Holls lesen dürfen, bevor sie an den Verlag gingen. Sie alle waren auf einer alten Schreibmaschine getippt, das passte zu diesem begnadet Unzeitgemäßen.

Nun werde ich Adolf nicht mehr anrufen können, seine Stimme wird mir fehlen, ich bin traurig. Ich glaube zu wissen, dass sich Holl lange Zeit eine Rehabilitation durch seine Kirche gewünscht hätte. Es reichte gerade zu einem Mittagessen mit dem freundlichen Kardinal. Nun ist die Chance vertan, aber man könnte darin auch ein Werk des Heiligen Geistes sehen: Die Kirche hatte sich ihren Holl verdient – was sein Andenken für unsereinen umso inniger, wertvoller macht. Gute Heimfahrt, alter Freund!