Der Videoclip dauert nur wenige Sekunden, die Aufregung darüber hält seit Tagen an. Nachdem am vergangenen Donnerstag jenes Handyvideo seine Kreise zu ziehen begonnen hatte, das verstörende Szenen an der HTL Wien-Ottakring zeigt, kocht die Debatte über Gewalt an Schulen. Lehrervertreter verlangen bessere Unterstützung, die Wiener ÖVP fordert ein Maßnahmenpaket mit Beratungsstellen für Pädagogen und dem Ausbau der Gewaltprävention.

Das Auslöser-Video, offenbar im Unterricht mitgeschnitten, zeigt einen Lehrer, der einen Schüler im Streit offenbar anspuckt, woraufhin ihn dieser brutal gegen die Tafel stößt. Auf weiteren Handy-Clips aus demselben Klassenzimmer, die über soziale Medien geteilt wurden, ist zu sehen, wie Schüler dem Lehrer mit einer Trillerpfeife ins Ohr blasen, ihn in die Ecke drängen oder ihn massenhaft mit Papierknäueln bewerfen.

"Seltener Extremfall"

Ein Beleg für eskalierende Gewalt an den heimischen Schulen oder ein spektakulärer Einzelfall? Da gehen die Meinungen der Lehrerschaft weit auseinander. Der oberste Gewerkschafter der AHS-Lehrer, Herbert Weiss, hat zwar das Gefühl, dass man das Thema Gewalt an Schulen eher unter den Teppich kehren will. Doch die Übergriffe, die auf dem Video zu sehen sind, hält er eher für einen seltenen Extremfall. Was jedoch Schule mache, sei Mobbing übers Internet, dem Pädagogen ausgesetzt seien: „Ein Video ist schnell gemacht und auf Youtube gestellt.“

Weiss will „kein Vertreter einer Rohrstaberlpädagogik“ sein, er mahnt aber zusätzliche Sanktionsmöglichkeiten gegen Schüler ein: „Man müsste sie etwa verpflichten können, dem Schulwart zu helfen, den Hof aufzuräumen.“ Maßnahmen, die vor einer Eskalation zum Einsatz kommen könnten.

"Null-Toleranz" für Täter und Mittäter

Deutlich klarer verspürt der Gewerkschaftsvorsitzende der Pflichtschullehrer, Paul Kimberger, einen qualitativen wie quantitativen Anstieg von Gewalt an den Schulen: „Das betrifft Übergriffe unter Schülern aber auch auf Lehrer – über Mobbing im Internet aber auch physisch.“ Und es komme auch vor, dass Eltern Lehrer attackieren. „Ich bin für Null-Toleranz gegen Täter und Mittäter, um auch ein abschreckendes Signal auszusenden“, sagt Kimberger. Denn bekomme man das Problem an Schulen heute nicht in den Griff, dann habe man die Gewalt in zehn Jahren in der Gesellschaft potenziert.

Verwaltungstrafen seien eine mögliche Sanktion, meint Kimberger: „Wir haben ja schon Geldstrafen auf Schulschwänzen, das könnte man auch bei Undiszipliniertheiten, Gewalt oder Vandalismus zur Anwendung bringen.“ Außerdem wünscht sich der Pädagoge die schon länger diskutierten „Timeout-Klassen“: „Unverbesserliche Störenfriede sollen aus ihren Klassenverbänden herausgenommen werden und intensiv von Sozialarbeitern oder Psychologen betreut werden.“ Da gelte es auch andere Schüler im Weiterkommen zu schützen.

Die Vertreter der Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen (BMHS) fordern ebenfalls mehr Unterstützung für Lehrer. „Es bräuchte auch an den Standorten der Oberstufen-Schulen fix installierte Experten, die bei Problemen unterstützen können“, sagt Roland Gangl, Vorsitzender der BMHS-Lehrer. Insgesamt gelte es, die Rolle der Lehrer neu zu diskutieren: „Wir können nicht nur der Kumpel-Typ sein, wir sind auch Vorgesetzte. Und für die Oberstufen muss man sagen, wenn Schüler nicht bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten, kann es besser sein, sich von einander zu verabschieden.“

Ähnlich argumentiert BMHS-Gewerkschafter Gary Fuchsbauer, selbst HTL-Lehrer in Linz: „Viele Kollegen würden sich wünschen, dass es auch an unseren Schulen Sozialarbeiter gibt, an die man sich wenden kann. Aber dafür wird kein Geld zur Verfügung gestellt.“ Einen generellen Anstieg von Gewalt an den Schulen ortet er, anders als Kimberger, nicht. „Offensichtlich ist aber, dass das bedenkenlose Teilen von Handy-Videos im Internet tatsächlich ein wachsendes Problem ist. Davor warnen wir in der Medienerziehung immer wieder, aber das hilft nur bedingt.“