Pro Tag wird in Österreich durchschnittlich 27 Mal eine Person als vermisst gemeldet, 2017 gingen mehr als 10.000 Vermisstenanzeigen bei der Polizei ein. Das geht aus einer aktuellen Statistik des Bundeskriminalamtes hervor. 1267 Personen waren mit Stichtag 1. Mai abgängig gemeldet, der Großteil von ihnen ist männlich. „Fast drei Viertel sind Minderjährige“, erklärt Stefan Mayer, Leiter des Kompetenzzentrums für abgängige Personen (KAP) im Bundeskriminalamt. Bei mehr als der Hälfte handelt es sich um Kinder und Jugendliche. „Hier sind es häufig junge Menschen, die aus Betreuungseinrichtungen abhauen.“ Die Gründe dafür seien vielfältig, vom Nicht-Wohlfühlen bis hin zur Rückkehr zu den Eltern. Die meisten tauchen innerhalb weniger Tage wieder auf, viele verschwinden mehrfach. „Ein Bub wurde bereits über 100 Mal als vermisst gemeldet“, berichtet Gerhard Brunner vom KAP.

Um die Zahl der Abgängigen zu verringern wurde das Projekt „Heimvorteil“ ins Leben gerufen. Polizisten arbeiten dabei mit Pädagonen in fünf Einrichtungen in Wien, Kärnten, Ober- und Niederösterreich zusammen, um Minderjährige zu sensibilisieren. Laut KAP reduzierte sich die Zahl der Anzeigen seit Beginn des Projektes um 50 Prozent, in der Kärntner Einrichtung sogar um 80 Prozent.

Nach allen Vermissten wird schengenweit gefahndet, „wir finden fast alle wieder“, sagt Mayer. Aber: „Ungefähr zehn Fälle pro Jahr bleiben ungelöst.“ Viel Hoffnung dürfen sich Angehörige allerdings nicht machen, Suizide oder Unfälle in Seen oder Bergen sind vielfach Ursache für das Verschwinden. 100 als vermisst gemeldete Personen wurden 2017 tot aufgefunden. Auch so mancher Kriminalfall beginnt mit einer Vermisstenanzeige. Es komme auch vor, dass aus der Suche nach der Person eine Mordermittlung wird, erklärt Mayer.

Meldung nach 24 Stunden? Blödsinn

Kann man jemanden – wie in Film und Fernsehen – erst nach 24 Stunden als vermisst melden? Blödsinn, sagt Brunner. Je früher die Meldung bei der Polizei eingehe, umso schneller könne diese mit ihrer Arbeit beginnen. Eine deutliche Steigerung sei bei der Zahl der dementen Vermissten zu verzeichnen. Jährlich trudeln hier um die 300 Anzeigen ein. „Und es werden immer mehr.“ Übrigens: Mehr als die Hälfte der Vermissten (762) stammt aus Nicht-EU-Staaten. Laut Kriminalamt habe diese Zahl seit der großen Flüchtlingsbewegung 2016 deutlich zugenommen.

Doch nicht jeder Verschwundene will auch gefunden werden. „So mancher taucht freiwillig unter“, erzählt Mayer und nennt den Fall eines Mannes, der vor seiner dominanten Mutter nach Großbritannien geflüchtet ist. Wird eine vermisste Person gefunden, wird den Verwandten der Aufenthaltsort nur mitgeteilt, wenn diese das wünscht. „Wenn nicht, informieren wir die Familie nur darüber, dass die Person lebt.“