Der britische Radiologe Ian Fairlie, der für die neue Studie verantwortlich zeichnet, erwartet in Westeuropa insgesamt 40.000 Krebstote, deren Erkrankung direkt auf die Atomkatastrophe zurückzuführen sein wird. In Österreich rechnet man mit 1.000 bis 2.000 Fällen.

"30 Jahre nach Tschernobyl denken wir, dass wir uns keine Sorgen mehr darüber machen müssen, aber das müssen wir", sagte Fairlie bei der Präsentation seines "Torch 2016"-Reports am Montag im Wiener Rathaus. Die langfristigen Auswirkungen seien immer noch dramatisch: Besonders die Fälle von Schilddrüsenkrebs dürften in Westeuropa steigen. Aber es droht auch ein erhöhtes Auftreten von Leukämie, Herzkreislauferkrankungen und Brustkrebs.

Österreich am zweitstärksten von Katastrophe getroffen

"Nach Weißrussland war Österreich mit 13 Prozent seiner Gesamtfläche weltweit am zweitstärksten von der hohen Cäsium-Belastung vom Tschernobyl-Fallout betroffen, auch radioaktives Jod traf Österreich stark", sagte Reinhard Uhrig, Atomsprecher der Umweltschutzorganisation Global 2000. Insbesondere die Ostregion - inklusive Wien - wurde von der radioaktiven Wolke getroffen. "Acht bis 40 Prozent der erhöhten Schilddrüsenkrebsfälle in Österreich nach 1990 sind wahrscheinlich von Tschernobyl verursacht", unterstrich Uhrig.

"Es ist jetzt an der Zeit, die verharmlosende Darstellung des Reaktorunglücks von Tschernobyl durch die IAEO zu überarbeiten, die immer noch von nur 52 direkten Todesfällen und in Summe weltweit 4.000 Toten ausgeht", forderte Uhrig. Global 2000 startete daher eine Petition an die österreichische Bundesregierung, Reform-Schritte innerhalb der IAEO zu setzen.

Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) unterstützt das Anliegen von Global 2000. "Die dramatischen Ergebnisse zeigen einmal mehr, wie todbringend die Atomkraft ist. Solch traurige Jahrestage wie 30 Jahre Tschernobyl oder fünf Jahre Fukushima sollen die Öffentlichkeit wieder ein wenig wachrütteln", sagte Sima. Die Stadt Wien lobbyiere auf allen Ebenen für einen internationalen Atom-Ausstieg.