"Nein, so brutal", sagte Mikl-Leitner kopfschüttelnd, als sie in Wien-Landstraße bei einem Pressetermin das Fahrzeug begutachtete. "Unmöglich und unmenschlich!" Die Flüchtlinge, jugendliche Afghanen, berichteten von der skrupellosen Vorgangsweise der Schlepper. Während der Lenker bereits bei laufendem Motor am Fahrersitz Platz genommen hat, hatte ein Komplize die 16- bis 20-jährigen Burschen in das Auto "hineingestopft", berichtete Keiblinger. Die Burschen waren auf knapp sechs Quadratmeter zusammengepfercht. Wenn sie nicht rechtzeitig gefunden worden wären, dann hätte das "sehr tragisch und sogar mit dem Tod dieser Menschen enden können", meinte Keiblinger.

Die Schlepper hätten arbeitsteilig agiert, um im Fall des Auffliegens eine Identifizierung der Beteiligen unmöglich zu machen. Die Polizei arbeitet auf Hochtouren, um an die Hintermänner der Kriminellen zu kommen. Bisher gab es die Festnahme des 30-jährigen Fahrers, ein Rumäne, der sich in der Einvernahme schweigsam zeigte. "Welche Ängste diese Menschen in diesem Transporter gehabt haben müssen, ich glaub, das kann sich niemand von uns vorstellen", sagte Mikl-Leitner. "Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine Lebensrettung."

Seit Sonntagabend wurde die Anzahl der Kontrollen im Kampf gegen die Schlepperkriminalität erhöht. "Es konnten schon einige Schlepper dingfest gemacht und Menschenleben gerettet werden", berichtete die Ministerin. Mikl-Leitner reist am Freitag nach Mazedonien und trifft dort mit den Amtskollegen aus Mazedonien, Serbien und Ungarn zusammen, da diese Länder an der Schlepperroute von Griechenland aus Richtung Deutschland liegen. "Es gilt hier ein Vorgehen mit voller Konsequenz und aller Härte gegen Schlepper."

Ganz Europa stehe vor einer enormen Herausforderung, meinte die Innenministerin. "Und da gibt es nur zwei Möglichkeiten, entweder Europa scheitert oder wir gehen's gemeinsam an", betonte Mikl-Leitner.

Die Wiener Landespolizeidirektion hat am Mittwoch Zahlen zur seit Sonntag laufenden Schwerpunktaktion gegen die Schlepperkriminalität auf den Hauptverkehrsrouten bekannt gegeben. Neben einer Festnahme nach einem gefährlichen Transport von 24 junge Afghanen in einem zugeschweißten Kastenwagen wurden vier weitere Personen festgenommen, die Flüchtlinge in überfüllten Minivans transportiert hatten.

Das besondere Augenmerk auf Schlepperfahrzeuge führte so bereits am Montag dazu, dass die Exekutive auf einem Parkplatz in der Leopoldstadt auf zwei Minivans mit schwedischen Kennzeichen aufmerksam wurden. In einem der Fahrzeuge, einem VW Touran, befanden sich acht Personen. Die vier Männer, zwei Frauen und zwei sehr junge Mädchen waren laut Polizeiangaben aus dem Irak geflohen. Die beiden mutmaßlichen Schlepper, ein 37-jähriger Kanadier und ein 26-jähriger syrischer Staatsbürger, wurden festgenommen.

Zwei weitere Festnahmen gab es in der Nacht auf Mittwoch. Die erste erfolgte um 1.40 Uhr nahe der Autobahnabfahrt Simmeringer Haide, nachdem in einem überladenen Minivan mit verdunkelten Seitenscheiben zehn Personen entdeckt wurden. In dem Fahrzeug, das von den Beamten in der Johann-Petrak-Gasse gestoppt wurde, waren beide Rückbänke ausgebaut, die vier Männer, drei Frauen und drei Kleinkinder aus dem Irak, waren zusammengedrängt am Boden des Fahrzeuges. Sie wurden erstversorgt. Bei dem mutmaßlichen Schlepper handelt es sich um einen 47-jährigen serbischen Staatsbürger.

In der Leopoldstadt wurde um 4.30 Uhr ein überladener Minivan mit abgedunkelten Scheiben kontrolliert, in dem sich elf aus dem Irak und Syrien geflohene Personen befanden, darunter zwei Kleinkinder. Die Flüchtlinge waren zusammengepfercht im hinteren Teil des Fahrzeuges. Die mutmaßliche Schlepperin, eine 40-jährige türkische Staatsbürgerin, wurde festgenommen.

Im Burgenland erfolgten bisher 24 Festnahmen. Nachdem im gesamten Bundesgebiet am Montag insgesamt 307 Flüchtlinge aufgegriffen wurden, waren es gestern Dienstag 305 Personen, berichtete Oberstleutnant Helmut Marban der APA. 239 Menschen wurden seit Sonntag alleine bei den Fahrzeugkontrollen angehalten.

Die Lage sei angesichts der Umstände aber "normal" und von den Zahlen her - es gab auch heute Vormittag bereits wieder rund 100 Aufgriffe - unverändert, sagte Marban. "Extreme Fälle waren bisher keine dabei". Dies bedeute, dass bei den Kontrollen im Burgenland zwar keine Menschen akut gefährdet waren, diese jedoch geschwächt und meist in überfüllten Fahrzeugen angetroffen wurden.

"Es sind uns bereits interessante Erkenntnisse erwachsen", zog der Oberstleutnant eine erste Bilanz. Man agiere jedenfalls flexibel auf das Verhalten der Schlepper, wie es im Grundkonzept der Aktion vorgesehen war, Details wurden klarerweise keine bekannt gegeben.

Der Hotspot der Kontrollen ist weiterhin der Bezirk Neusiedl am See und dort die ehemalige Grenzstelle an der Ostautobahn (A4) in Nickelsdorf. Polizeisprecher Gerald Pangl berichtete, dass sich bei der dortigen Erstversorgungsstelle gegen Mittag zwischen 50 und 60 Flüchtlinge befanden.

Die griechische Polizei entdeckte unterdessen 103 Migranten eng zusammengepfercht in einem Lastwagen auf einer Autobahn im Norden des Landes. Die Menschen seien alle wohlauf, berichtete das Staatsfernsehen (ERT1) am Mittwoch. Schlepper hätten versucht, sie nach Westeuropa zu bringen.

Die Migranten hatten zuvor den Grenzfluss Evros (türkisch: Meric) zwischen Griechenland und der Türkei überquert und sich dann mit den Schleppern getroffen. Die Polizei nahm vier Bulgaren und zwei Türken als mutmaßliche Schlepper fest. Die aus Syrien stammenden Migranten wurden registriert und freigelassen. Darunter seien auch 19 Kinder gewesen, hieß es.