Ein „Traumtagerl“ nach dem anderen: Jede Menge Schnee und dann Sonnenschein, das ergibt in diesem Winter volle Pisten in der Skination Österreich. Doch wie jedes Jahr überschatten schwere Unfälle die Saison. Erst gestern prallte ein 13-jähriger Bursche in Sölden beim Skifahren gegen ein Tunnelportal und verletzte sich schwer. Am Samstag geriet eine 35-jährige Skifahrerin in Rohrberg in einem Steilhang in einer Kurve über den Pistenrand hinaus und stürzte rund zehn Meter in steiles Waldgelände ab. Sie überschlug sich und blieb schließlich zwischen Wurzeln und Steinen liegen. Die Wiederbelebungsversuche waren erfolglos. In der Woche davor verstarb ein 14-jähriges Mädchen in Seefeld, es dürfte ebenfalls von der Piste abgekommen sein. Die Jugendliche stieß in Folge gegen einen Baum, trotz Helm erlag sie ihren Verletzungen. Schon kurz nach Weihnachten verlor auch ein 14-jähriger Skifahrer in Hochoetz sein Leben. Er war 25 Meter über eine steile Böschung gestürzt.

Skifahren ist eine Risikosportart, hält Matthias Knaus vom Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit (ÖKAS) fest. Im Vergleich zu vielen anderen Disziplinen sei die Wahrscheinlichkeit, sich zu verletzen, hoch. „Weil viel Aktion im Spiel ist, man fährt ständig mit hoher Geschwindigkeit und teilt sich das Gelände mit anderen Menschen.“ Der durchschnittliche Skifahrer ist mit 40 bis 50 km/h unterwegs. Die Liste der unfallreichsten Sportarten führt übrigens das Wandern und Bergsteigen an – weil es die meisten Anhängerinnen und Anhänger hat.

Skifahrer verletzen sich am häufigsten am Knie

Die gute Nachricht: Heuer gab es laut ÖKAS mit 815 Unfällen weniger Unfälle auf den Pisten als im Mittel der letzten zehn Jahre (854 Unfälle). Das ÖKAS zählt allerdings nur die besonders schweren Unfälle, bei denen auch die Alpinpolizei hinzugezogen wird. Generell geht man von mehr als 60.000 Wintersportunfällen in ganz Österreich aus, gesicherte Zahlen gibt es keine. Das Unfallrisiko ist laut Experten seit Jahren eher am Sinken. Das hat mit der Ausrüstung zu tun, die laufend besser und moderner wird, und mit Pisten, die gut präpariert und abgesichert sind, erklärt Knaus. Seit der Einführung von Carvingski sei das Verletzungsrisiko auf Skipisten etwa um die Hälfte gesunken, die Carving-Modelle würden sich leichter lenken lassen, so Knauss.

Am häufigsten verletzen sich Skifahrerinnen und Skifahrer am Knie (ein Viertel aller Verletzungen), auch Bänderrisse und Schulterverletzungen kommen oft vor. Kopfverletzungen sind hingegen seltener geworden, sie machen etwa 15 Prozent aller Verletzungen aus.

Die meisten Unfälle passieren nachmittags, sagt Sportwissenschaftler Gerhard Ruedl von der Uni Innsbruck. Lediglich zehn Prozent der Skiunfälle sind auf Fremdverschulden – wie Kollisionen – zurückzuführen. Dass Alkohol auf der Piste für Stürze und Co sorgt, sei eher ein Mythos, meinen Ruedl und Knaus. Zu den meisten Unfällen kommt es, weil sich die Skifahrer selbst überschätzen, ihre Fahrweise der Situation vor Ort nicht anpassen und sie schlicht und einfach körperlich nicht fit genug sind. Mangelnde Fitness werde ein immer größeres Thema, gerade auch bei den Jüngeren. „Der Anteil der weniger Fitten ist gewachsen“, sagt Knaus. Zuletzt hat er beobachtet, dass die Zahl der Jugendlichen, die sich schwer oder tödlich verletzen, zunimmt. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass die Jungen tendenziell „draufgängerischer“ fahren würden und weniger Erfahrung haben.

„Ganz Österreich bewegt sich zu wenig“

Wie wichtig es ist, dass Skifahrerinnen und Skifahrer körperlich fit sind, betont Rhoia Neidenbach vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Wien. „Wenn man nicht trainiert ist, erhöht das das Verletzungsrisiko erheblich. Das ganze Jahr nichts tun und dann Skifahren ist gefährlich“, sagt die Expertin. Gute Technik könne da kaum etwas ausgleichen. „Die körperliche Voraussetzung ist ein Muss beim Skifahren.“ Der Handlungsbedarf sei hierzulande groß: „Wir haben in allen Generationen einen ordentlichen Bewegungsmangel, ganz Österreich bewegt sich zu wenig.“

Sportmedizinerin Rhoia Clara Neidenbach
Sportmedizinerin Rhoia Clara Neidenbach © Heddergott

Bevor man sich auf die Piste wagt, sollte man Ausdauer, Kraft und speziell die Körpermitte trainieren. Denn Skifahren ist anspruchsvoll und „ein komplexes Zusammenspiel von Beinen, Gesäß- und Rückenmuskeln, Gelenken und mehr“, sagt Neidenbach. Außerdem ist Skifahren ein Sport in der Natur, man könne nie vorhersehen, was passiert, wie die Sicht und die Beschaffenheit des Schnees ist zum Beispiel. Deshalb brauche es Reaktionsfähigkeit und Kraft. Wenn man sich unsicher ist, sollte man vorher seine Fitness bei einem Arzt oder Physiotherapeuten abklären lassen, rät Neidenbach. „So kann man Unfällen vorbeugen.“

Skifahren wird anspruchsvoller

Generell müsse es gängiger werden, dass sich die Menschen wieder besser auf das Skifahren vorbereiten, appelliert Knaus. „Die wenigsten nehmen sich die Zeit dafür.“ Einmal jährlich sollte die Bindung neu eingestellt werden, sagt Ruedl von der Uni Innsbruck. Sich direkt vor dem Skisport aufzuwärmen, empfiehlt Knaus. Auf der Piste seien dann unbedingt die FIS-Regeln einzuhalten, also etwa auf Sicht fahren oder die Fahrspur richtig wählen. Und: „Unbedingt das Verhalten den Verhältnissen auf der Piste anpassen.“

Eigenverantwortung und Rücksicht seien wichtiger denn je, betonen die Expertinnen und Experten. Es gebe keinen größeren Hebel, um Unfälle zu verhindern. Zumal sich der Skisport wandelt und neue Herausforderungen bringt. Zum einen wird der Ansturm auf die Pisten nicht abebben, sagt Knaus. „Zu Stoßzeiten, zum Beispiel in den Ferien, sind dann besonders viele Menschen auf kleinem Raum. Da wird es mitunter wahnsinnig eng.“ Grundsätzlich seien bei mehr Skifahrerinnen und Skifahrern auch mehr Unfälle zu erwarten.

Dazu kommen die Folgen des Klimawandels. Während heuer genug Schnee da ist, hat er letzte Saison gefehlt. Die Folge waren Stürze mit schweren Verletzungen im schroffen, vom Kunstschnee „ungepolsterten“ Gelände seitlich der Pisten. „Die klimatischen Bedingungen spielen eine große Rolle bei der Zahl der Unfälle“, warnt Knaus. Besonders jene Skigebiete, die unter 2300 Metern Höhe liegen, werden vermehrt auch mit harten und vereisten Pisten zu kämpfen haben – was wiederum das Unfallrisiko erhöht.