Im Verhandlungssaal wirkt der 17-Jährige desinteressiert: Er gähnt, streckt die Beine von sich. Der Bursche, der am Montag die Obdachlosenmorde dieses Sommers gestanden hat, musste sich am Mittwoch in Wien wegen einer anderen Tat vor Gericht verantworten. Er soll im September seine Mutter mit einem Faustschlag zu Boden gebracht, dann auf sie eingetreten und ihr mehrere Rippen gebrochen haben. Ein fachärztliches Gutachten wurde beauftragt, der 17-Jährige könnte damals unter Drogen gestanden sein. Die Obdachlosen soll er zuvor aus Wut getötet haben.

Der Fall des jungen Mannes erschüttert. Und er reiht sich ein in eine Vielzahl an Schlagzeilen über junge Tatverdächtige. Gerade erst am Montag wurde bekannt, dass ein 16-Jähriger aus Oberösterreich einen Anschlag auf eine Synagoge geplant haben soll. Die Ermittler fanden auf seinem Handy Folter- und Hinrichtungspropaganda.

Anzeigen steigen, Verurteilungen sinken

Tatsächlich ist Kriminalität jung und männlich, straffällig werden meist 14- bis 25-Jährige, bestätigt Jugendrichter Daniel Schmitzberger. Die Zahl der Anzeigen gegen Tatverdächtige bis 18 ist über die letzten Jahre leicht gestiegen, die Zahl der Verurteilungen ist hingegen gesunken. Die Diskrepanz habe mit sensibilisierten Lehrkräften zu tun und damit, dass die Leute generell mehr anzeigen. Außerdem werden unter 14-Jährige nicht verurteilt und bei Jugendlichen greift man oft zur Diversion. Die häufigsten Tatdelikte sind damals wie heute Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Dass die Jugendkriminalität generell zugenommen hat, würde Schmitzberger nicht sagen. Einzelne schlimme Taten, die dann in sozialen Medien und Netzwerken kursieren, würden die Situation drastischer erscheinen lassen. Schmitzberger beobachtet, dass junge Kriminelle ihre Taten immer wieder in sozialen Medien teilen. Ein „verschärftes Problem“ sei es, dass die Jungen im Internet dann allen möglichen expliziten Gewaltdarstellungen ausgeliefert sind. Kathrin Sevecke von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie warnt: „So könnten Gewaltfantasien gefördert und die eigene Hemmschwelle gesenkt werden.“

Staatsschutz alarmiert

Darüber zerbricht sich auch der Staatsschutz den Kopf. Denn in den sozialen Medien verbreitet sich immer mehr extremistische, salafistische und terroristische Propaganda, mit der besonders junge Menschen zu Gewalt aufgerufen werden. Die Unterstützer werden immer jünger, 13- bis 28-Jährige gestalten die Inhalte sogar mit.

Den einen Grund dafür, warum junge Menschen Terroranschläge planen oder Gewalttaten begehen, gibt es nicht. Oft würden Angst und Unsicherheit junge Menschen in die Hände von Extremisten treiben, so der Staatsschutz. Auch Krisen wie die Pandemie oder der Nahostkonflikt können beitragen, so ist etwa die Gewalt an Schulen deswegen mitunter gestiegen.

Schmitzberger sieht die Gründe für Gewalt in der Sozialisierung der Jungen und in der patriarchalen Gesellschaft. Viele junge Täter waren selbst Opfer von Gewalt in der Familie und hatten keine erwachsenen Bezugspersonen, weiß Thomas Marecek vom Verein Neustart, der sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmert und Bewährungshilfe leistet.

Um Fälle zu verhindern, brauche es vor allem mehr Sozialarbeit in den Schulen, Medienkompetenztraining und auch mehr Ressourcen für die Kinder- und Jugendhilfe sowie die Psychiatrie, so die Experten.