Norbert Hofer gestern abend im ORF-Sommergespräch. Oben trug er eine Anzughälfte mit violettem Stecktuch, unter dem Tisch als angedeutete Brechung ausgewaschene Jeans. Es gab eine Zeit, in der solche textilen Doppelbotschaften modern waren. Jörg Haider prägte sie. Auf dem leeren Tisch lag eine Lesebrille, aber man wusste nicht, wozu. Womöglich auch ein Zeichen. Eine Oleanderplantage und Feuerschalen umkränzten auch diesmal die Szenerie. Im Hintergrund tiefliegend die Großstadt, die zu dieser Stunde wenig hergab. Aus einer Schale stieg mit Fortdauer des Gesprächs nur noch Rauch auf, der als Nebelschwade durch das Bild glitt.

Der Mann, der um ein Haar Bundespräsident geworden wäre. Jetzt ist er Masseverwalter eines politischen Insolvenzfalls, behält aber den Simmel-Blick: Mich wundert, dass ich so fröhlich bin. Das Elend der FPÖ ist so übermächtig, dass sich sein Verwalter ihm einfach entzieht und sich eine andere Wirklichkeit aneignet. Aus der spricht er. Heiterer Wirklichkeitsverlust. In zwei, drei Jahren werde er, Hofer, ein karrieristisches Luxusproblem zu lösen haben und aus drei Optionen eine wählen: Bei der Nationalratswahl die „Partei wieder in die Regierung führen“, um das Burgenland rittern oder noch einmal für das Amt des Staatsoberhauptes kandidieren, am liebsten gegen Rudolf Anschober. Im Angesicht des Grauens bleibt nur die Flucht in die Phantasie. Bevorstehene Begegnungen mit der Wirklichkeit überspringt Hofer gedanklich. Die Wien-Wahl hakt er ab. HC Strache darf nun doch antreten, die FPÖ werde die Zulassung nicht beeinspruchen, sagt Hofer, es würden andere tun. Der politische Lebensabschnittspartner werde ein Ergebnis erzielen, das „ihn nicht freuen wird“. Da hätten die Geschiedenen schon etwas gemein.

In der Pandemiekrise setzt Hofer auf den Stimmungsumschwung, den Überdruss an der Krise, das Frustrationspotenziel der Corona-Verlierer und auf die Impfgegner. Das könnte für die komatöse Partei ein interessantes Gebräu ergeben, um sich wieder aufzurichten. Die Partei fällt und steigt zyklisch, das ist die Hoffnung, die ihr geblieben ist. Hofer ist nicht nur gegen die Impfpflicht, die keine Partei fordert, er will sich auch selbst nicht schützen. Er nehme sich diese Freiheit heraus, schließlich sei man eine „Freiheitspartei“. Hofer verteidigt das Freiheitsideal auch dort, wo die persönliche Freiheit anderen schadet.

Zu ungustiösen Aussagen wie dem Satz „Der Islam ist gefährlicher als Corona, meine Lieben“ muss er nicht Stellung beziehen. Er wird nicht gefragt. Lieber listet der Parteichef einen Katalog von Krankheiten auf, um die Pandemie zu relativieren, von Krebs bis zu den tödlichen Krankenhauskeimen. Die werden zwar nicht von Mensch zu Mensch übertragen, aber das macht nichts. Die Botschaft war: Es gibt viele Möglichkeiten zu sterben, man soll nicht so ein Getöse um die eine machen. Die FPÖ muss staatstragend sein, zitierte Hofer sich selbst. Man war dann nach der langen Stunde doch froh, dass die Partei den Staat nicht durch die Krise tragen musste, sondern nur sich selbst.

Für diese Rauchzeichen verspürte man als Zuschauer stillen Dank.