Seit wann machen wir das eigentlich, Morgenpost schreiben? Es war irgendeine Nationalratswahl, ich glaube, die von 2017, die Chefredakteur Hubert Patterer auf die Idee brachte, täglich einen morgendlichen Newsletter der Chefredaktion zu verschicken. Wir wollten erzählen, wie es hinter den Kulissen unserer Zeitung hergeht oder wie wir Ereignisse einschätzen. Wenn gar nichts los war, konnten wir auch einfach eine Episode aus unserem Leben erzählen. Maximale Freiheit in Form und Inhalt also.

Für mich ist das heute die letzte Morgenpost. Pension.

Die Schlüssel des Dienstwagens sind abgegeben, die Zutrittskarte auch. Die Portierin fragt jetzt, warum ich hineinwill und zu wem. Der neue Ausweis steckt in der Brieftasche: "Es wird hiermit bestätigt, dass Herr/Frau Dr. Thomas Götz dem Redaktionsstab der unabhängigen Tageszeitung Kleine Zeitung als freier Mitarbeiter angehört." Gezeichnet, Hubert Patterer, Chefredakteur. So einen habe ich noch von 1987, gezeichnet von Fritz Csoklich.

Ein letzter Besuch beim geschäftsführenden Redakteur. Bernd Olbrich war kurz nach mir zur Zeitung gekommen. Wir rekonstruieren die Anfänge unseres Berufslebens. Zu Hause hatten viele Menschen damals Viertelanschlüsse, ein Wort, das Millennials sich von Wikipedia erläutern lassen müssen. Die Post, damals Monopolistin auf dem Gebiet der Telekommunikation, hatte die knappen Telefonnummern auf je vier Haushalte aufgeteilt. Sprach einer, mussten die anderen warten. Handys gab es nicht. Das Fax, Fernkopierer genannt, sollte erst Ende der 80er-Jahre Einzug halten, Mails noch später. Vom Internet fehlte jede Spur, ganz zu schweigen von sozialen Medien.

Für uns hieß das: Es gab nur einen Abgabetermin am Tag, dazwischen viel Zeit, Neues vorzubereiten, nachzudenken, zu diskutieren, zu recherchieren. Recherchieren hieß, real existierende Menschen zu treffen oder anzurufen, auch Stöbern in Archiven war eine Variante. Layoutreformen fanden alle zehn Jahre statt. Sie veränderten Details, nicht unser Berufsbild. Spätere Reformen waren Revolutionen, die in immer kürzeren Abständen die Sandburgen wegschwemmten, die wir gerade gebaut hatten.
Mir bleibt nur, Ihnen zu danken für manche Zustimmung, Richtigstellung oder auch scharfe Kritik. Das belebt und wird mir fehlen. Zeit, sich für ein wunderbares Berufsleben zu bedanken, für die Freundlichkeit von Kolleginnen und Kollegen, für Freiheiten und Chancen, die nur wenige Berufe, Firmen und Chefs bieten.

Und jetzt? Der Soziologe Manfred Prisching, Vorsitzender unseres Herausgebergremiums, sagte mir zum Abschied: "Pension bedeutet, endlich ungestört arbeiten zu können." Der erste Termin steht schon im Kalender: die österreichische Erstaufführung eines Stücks von Rainald Goetz: "Reich des Todes" – ein Memento Mori zum Neubeginn.