Leserbrief zu „Plagiate sollen verjähren“ und Liessmann: „Zweierlei Maß“, 24. 2.

Ernst Sittinger hat sicherlich recht, von Dissertanten, männlich wie weiblich, eigenes Denken und Anständigkeit zu fordern. Freilich sieht er die Problematik nicht in dem größeren Zusammenhang, in dem Dissertationen entstehen. Der direkte Zusammenhang besteht in der Qualität der Kooperation von Kandidaten und Betreuern, danach mit den unterscheidbaren Fachkulturen, in denen Dissertationen geschrieben werden. Vor allem dürfte es am Verständnis der Bedeutung von wissenschaftlichen Arbeiten wie Dissertationen seitens mancher Verantwortlichen an den Universitäten liegen – einerseits bezüglich der Betreuung, andererseits hinsichtlich der Überprüfung von Plagiaten: Gute Betreuung ist aufwändig und es besteht ein Interesse, den Ruf der Universität nicht zu schädigen.

Kritik an Plagiaten müsste deshalb zuallererst an den Voraussetzungen und Bedingungen zur Erarbeitung einer Dissertation an Universitäten geübt werden. Dazu ist bisher sehr wenig zu hören oder zu lesen gewesen. Eine unvoreingenommene, umfassende, qualitative Studie sollte die strukturellen Probleme des Entstehens von Dissertationen aufdecken können.

Übrigens: In Österreich tragen viele Menschen einen Doktortitel, ohne je eine Dissertation geschrieben zu haben, weil das beispielsweise für diesen Titel der Rechtswissenschaften nicht verlangt worden war. Wo keine Dissertation, kann auch kein Plagiat nachgewiesen werden.
Em. O. Univ-Prof. Dr. Paul Kellermann, Klagenfurt

Weitere Leserbriefe zum Thema

An der Oberfläche

Professionelle „Plagiatsjäger“ fischen zurzeit offenbar eher an der Oberfläche. (Was sich mit KI ändern wird). Ihre Software sucht nach wörtlichen Übereinstimmungen zwischen einem konkreten Ziel, etwa einer Dissertation, und einer von vornherein oder mittlerweile im Internet zugänglichen Quelle. Aufgedeckt wird auf diese Weise, ohne weiteres Nachhaken, bestenfalls ein Abkupfern von Formulierungen, nicht aber der ungleich folgenschwerere Diebstahl innovativer wissenschaftlicher Ideen. Offenkundig gewordene Plagiate dieser hinterhältigeren Art werden innerhalb der einschlägigen wissenschaftlichen „Community“ sicher nicht so schnell verjähren.
Univ.-Prof. Dr. August Fenk, Klagenfurt

Messen und bewerten

Zu Plagiaten in Publikation und über den Umgang damit hat sich Rektorenchef Oliver Vitouch geäußert und in derselben Ausgabe der Kleinen Zeitung in einem anderen Kontext Konrad Paul Liessmann. In dem Zusammenhang sollte man auf eine Analogie verweisen: Ein Plagiatsjäger wie Stefan Weber ignoriert ein Grundprinzip von akkreditierten Prüfstellen, nämlich die strikte Trennung von Messen/Prüfen – in diesem Fall dem Auffinden von unzureichend referenzierten Zitaten – von der Bewertung der Prüfergebnisse, also der Auswirkung auf den Wert der Publikation. Damit könnte man vielleicht auch das von Herrn Liessmann angesprochene Dilemma des Messens mit zweierlei Maß auflösen.

Man muss sich aber vor Augen führen, welche Herausforderungen auf uns erst zukommen werden, wenn anstelle der „Copy-Paste-Technik“ die KI zum Einsatz kommen wird.
Dr. Peter Klug, Graz

Fragwürdige Haltung

Herr Liessmann bringt es wie immer auf den Punkt. Da wird ein jüdischer Student von einem propalästinensischen Kommilitonen krankenhausreif geschlagen. Keine Reaktion von den linken Haltungsideologen. Was ist das für eine „Haltung“, die heute noch solch brutale Angriffe auf Juden einfach nicht zur Kenntnis nimmt und somit auch toleriert? 

Natürlich gibt es auch rechten Judenhass, aber die Symbiose von linken und islamistischen Antisemiten und Antizionisten ist jetzt, besonders in Europa, für Jüdinnen und Juden viel gefährlicher.
Werner Stitz, Voitsberg