Die Lage der Insekten in Österreich hat eine Studie unter Leitung des Ökologen Thomas Zuna-Kratky erhoben. Die 4285 Arten umfassende Stichprobe – Hummeln, Zikaden oder Heuschrecken – zeigte in den vergangenen drei Jahrzehnten eine deutliche Veränderung in ihrer Zusammensetzung: Ein Viertel davon wurde durch neue Spezies "ersetzt", insgesamt blieben Anzahl und Population jedoch stabil, sagte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) bei der Präsentation der Ergebnisse.

Sein Ministerium sowie die neun Bundesländer fungierten als Auftraggeber der Studie, denn "über die Insektenpopulationen gab es bisher kaum Informationen", nannte Totschnig das Motiv dazu. Zuna-Kratky und die 20 involvierten Expertinnen und Experten fassten die Studie nun nach rund zweijähriger Laufzeit auf fast 300 Seiten zusammen.

"Verlierer" Heuschrecke

Die mehr als 4000 Arten, die die Stichprobe umfasst, machen dabei nur ein wenig mehr als ein Zehntel, konkret elf Prozent, aller in Österreich vorkommenden Insektenarten aus. Was ihren "Austausch" betrifft, so sei der Klimawandel ein "Hauptfaktor", sagte Totschnig. Während wärmeliebende Insekten sich ansiedelten und verbreiteten, verschwanden jene, die kältere Bedingungen bevorzugen. Das bedeutet, dass sie auf den mehr als 300 überprüften Standorten nicht mehr nachgewiesen werden konnten. Ebenso fand eine Verschiebung von auf nährstoffarme Standorte spezialisierte Arten zugunsten von solchen statt, die im Vergleich geringere Ansprüche an ihre Lebensräume haben.

Grashüpfer werden immer seltener
Grashüpfer werden immer seltener © Aloisia

Zu den "Verlierern" der Studie gehören laut Insektenforscher Zuna-Kratky etwa Heuschrecken, während Insekten wie die Erdbauhummel sich als "Neuzugang" wiederum bei den "Gewinnern" finden. Die Erhebung zum Vorkommen der Heuschrecken wurde bereits einmal in den 1990er-Jahren durchgeführt, für die Studie wurde sie nun mit der gleichen Methodik noch einmal wiederholt. Diese Vorgangsweise war Grundlage für die neue Insektenpopulationsstudie, Untersuchungen aus der Vergangenheit zu finden, gestaltete sich jedoch schwierig, sagte Zuna-Kratky. "Viele der Tiere gab es nicht in den vergangenen Jahren".

Rückgang der Populationsdichte verzeichnet

Bei den Heuschrecken und der Fangschrecke, von denen die einzig in Österreich vertretene Art die Gottesanbeterin ist, waren Daten aus der Vergangenheit verfügbar. Die Neuerhebung ergab jetzt einen Rückgang der Populationsdichten – jedoch mit regionalen Unterschieden: In den Hochalpen war etwa eine Zunahme zu verzeichnen. Bei den Heuschrecken zeigte sich auch der Austausch der Arten: In den 1990er-Jahren befand sich der Bestand von Rotleibigen Grashüpfern, die auf sogenannte Extensivwiesen spezialisiert sind, und Lauchschrecken noch etwa auf demselben Stand. Inzwischen wurde der Grashüpfer seltener, während bei Lauchschrecken die Anzahl zunahm. Positive Entwicklungen gab es bei den Tagfaltern in den Ackerbaugebieten der Tieflagen.

Abgesagt ist das "Insektensterben" jedoch insgesamt nicht. Ein solches wurde etwa aufgrund der Ergebnisse der häufig zitierten deutschen "Krefeld-Studie" befürchtet, die eine sinkende Anzahl an "Fluginsekten" erhoben hatte. Aus Sicht von Global 2000 sei der Umfang der Erhebungen in Österreich nicht ausreichend, um allgemeine Aussagen herzuleiten. "Die Studienautorinnen und -autoren selbst stellten in ihrem Bericht klar, dass ihre Auswertungen 'aufgrund methodischer Einschränkungen jedoch keine verallgemeinernden Aussagen für Österreich' erlauben würden", hieß es in einem Statement der Umweltschutzorganisation zu der im Juli 2022 publizierten "Insektenstudie".

Minister Totschnig kündigte an, dass in Zukunft weitere Studien angestoßen würden. Das ergebe sich allein aus der neuen Periode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union, die an ihren Zielen gemessen werde.

Klimakrise, Landnutzung, Insektizide

Im Jahr 2020 veröffentlichte das österreichische Umweltbundesamt eine Studie zu "Insekten in Österreich", in der auf aktuelle mitteleuropäische Publikationen verwiesen wurde, die von Rückgangsraten der Insektenfauna von mehr als fünf Prozent pro Jahr ausgingen. Dies sei nicht überraschend, hieß es, auch in Österreich sei von Rückgängen auszugehen.

In früheren Jahrzehnten waren es vor allem spezialisierte Arten bestimmter seltener Lebensräume, für die Bestandsrückgänge zu verzeichnen waren. Heute betrifft das Insektensterben offensichtlich auch häufige, weitverbreitete Arten beziehungsweise alle Fluginsekten gleichermaßen. Eine monokausale Ursache gebe es nicht, neben Auswirkungen der Klimakrise und von Insektiziden sind aber auch gebietsfremde Arten eine immer größere Herausforderung für die heimischen Vertreter. Auch die Intensivierung der Landnutzung durch den Menschen habe Auswirkungen auf die Entwicklung der Insektenpopulation.