Hier ein Blättchen, dort ein Hälmchen – Speedy ist ein Feinspitz, der schon von Weitem die feinsten Leckerbissen erspäht, um dann geschickt seine Route so zu wählen, dass er sich den Happen auch sicher schnappen kann. Meist lasse ich ihn gewähren, so behutsam, wie mich das 14-jährige Warmblut über die Mühlviertler Alm trägt. Dass ich meinen Platz am Schluss der fünfköpfigen Truppe gewählt habe, lässt und ein bisschen Spielraum. Und kaum haben wir die ersten paar Kurven hinter uns gebracht und unsere Kilos im Sattel richtig verteilt, vergewissert sich Wanderreitführer Thomas Holzweber mit einem kurzen Blick über die Schulter, dass wir alle da sind, hebt die Hand, seine temperamentvolle Rappstute Malibu tänzelt, und schon preschen wir auf dem übersichtlichen Feldweg los. Hui, das pfeift - und der wilde Ritt scheint gar nicht mehr aufzuhören, ganze eineinhalb Kilometer geht es im Höllentempo dahin. Jetzt weiß ich auch, woher Speedy seinen Namen hat!

Der „Hoamatritt“ für Einsteiger

Im Schritt, Trab und Galopp erkunden wir drei Tage lang einen kleinen Teil des 700 Kilometer umfassenden Reitwegenetzes, das sich über 19 Gemeinden Oberösterreichs erstreckt. Ein Alleinstellungsmerkmal, „das gibt es sonst nirgends“, weiß Pferdereich-Obmann Markus Danninger. Für Einsteiger gibt es seit 2023 eine „Light-Version“: den 55 Kilometer langen „Hoamatritt“. Man kann mit dem eigenen Pferd anreisen oder sich vor Ort bei einem der vielen Reitbetriebe eines der gut ausgebildeten und sicheren Wanderreitpferde ausleihen. Blutige Anfänger sollten vorher ein paar Reitstunden nehmen und sicher im Sattel sitzen. Immer wieder raschelt es im Gebüsch, und wenn Speedy erschreckt zur Seite hüpft bin ich froh über meinen sicheren Sitz. Nach ein paar Stunden sind wir ein eingespieltes Team, ich weiß schon lange vorher, welches Büschel Grünzeugs er ansteuern wird und erkenne an seiner Körperspannung und den gespitzen Ohren Trab- und Galoppstrecken, bevor Thomas die Hand hebt.

Erhalten und ausgebaut wird das größte zusammenhängende Reitwegenetz Europas auf der Mühlviertleralm seit 33 Jahren mit viel Engagement vom Wanderreitverband „Pferdereich“. Schließlich sind die Reitwege die „Lebensadern des Pferdereichs“, betont Thomas, der auch Vize-Obmann des Verbands ist. Er ist seit 30 Jahren mit dabei. Bis zu 4500 Kilometer reitet der erfahrene Wanderreitführer pro Jahr auf den „Tacho“ seiner spritzigen Stute. „Ich kenne hier jeden Pflock“, sagt er lachend. Und auch bei Speedy und seinen Mähnenkollegen habe ich den Eindruck, dass die Rösser die Strecke blind gehen könnten.

Aber auch für Neulinge ist es einfach, sich zurechtzufinden. Zahlreiche beschilderte Pflöcke weisen den Reitern an jeder Kreuzung den richtigen Weg: blaue beschildern den Johannesritt, ein Pilgerritt über 12 Stationen, grüne den Hoamatritt .

Vier bis fünf Tage für die gesamte Route einplanen, um es auch stressfrei genießen zu können. Außer man hat ein Pferd wie Malibu unterm Sattel, die die Tour gerne in der halben Zeit zurücklegen würde. Doch Thomas hält die Zügel fest im Griff und ich kann mich ganz darauf konzentrieren, die wunderschöne Gegend Oberösterreichs zu genießen. Wanderreiten ist neben Wandern oder Biken sicher die gemütlichste Variante. Mal schlängelt sich der Weg zwischen wuchtigen Granitformationen durch, mal führt er sanft über liebliche Blumenwiesen und schattige Wälder, dann wieder geht es steil bergauf, wie zur Burgruine Ruttenstein. Allerdings braucht man ein trittsicheres Pferd, so viel steht fest.

Neben Aussicht und Frischluft kommt auch die Kulinarik unterwegs nicht zu kurz. 60 Wanderreitbetriebe, Reiterherbergen und Pferderasten laden in der Region zum Relaxen und Genießen ein. Und wir machen alle paar Stunden fleißig davon Gebrauch: ein kühles Getränk für die Helmträger, ein Eimer Wasser und natürlich fäusteweise Leckerlis für die braven Sattelschlepper. Überall findet sich für jeden Geschmack und Bedarf die passende Köstlichkeit auf der Speisekarte.

An den Abenden erwarten uns in den Unterkünften immer schon die Gepäckstücke, der Transport funktioniert reibungslos., wir müssen uns um nichts kümmern. Nach einem gemütlichen Abendessen und Beisammensitzen fallen wir erschöpft in unsere Betten, um uns nach einem zünftigen Frühstück wieder in die Sättel zu schwingen. Speedy schnaubt mich immer schon erwartungsvoll an, wenn ich seine Box betrete, um ihn aufzuzäumen und zu satteln. Er scheint sich zu freuen, dass es wieder losgeht! Und ich imch auch. Genießen, abschalten und Seele baumeln lassen wird dem Reiter hier wahrlich leicht gemacht. Es empfiehlt sich allerdings, Leukoplast (für aufgeriebene Knie) und Handschuhe im Gepäck zu haben.

Der letzte Tag führt uns an Thomas Heimathof zurück, den „Wanderreithof Heimelsteiner“. Freudiges Wiehern beim Heimkehrern und Daheimgebliebenen setzt ein! Und während Thomas Ehefrau Margit uns mit einem frischen Schwarzbeerstrudel belohnt, kaut Speedy schon wieder entspannt an Hälmchen und Blättchen. Wohlverdient!