Die Modeindustrie ist eine der größten Verursacher von Umweltverschmutzung der Welt. In welcher Form arbeitet Raeburn dagegen?
Christopher Raeburn: Raeburn gibt es inzwischen seit 13 Jahren und angefangen hat alles mit einer eigentlich sehr einfachen Idee – ich habe mir einen alten Fallschirm genommen, daraus acht verschiedene Kleidungsstücke gemacht und habe sie "Remade in England" genannt. Mit dem Wachstum des Unternehmens haben wir zwei weitere Bereiche der Kollektion eingeführt, "reduced" und "recycled". Als wir 2009 angefangen haben, wurde unsere Art, Mode zu machen als sehr fortschrittlich angesehen. Seitdem hat sich das Narrativ um Nachhaltigkeit sehr stark verändert, vor allem in den letzten fünf bis sechs Jahren. Inzwischen gibt es bereits zahlreiche Mikroprojekte, die sich unter anderem um regenerative Agrarkultur und Kreislaufwirtschaft drehen. Wenn man all diese Komponenten verbindet, hätte man die Möglichkeit, aus diesem Teufelskreis auszubrechen.

Welche Erfahrungen haben Sie seit der Gründung des Unternehmens gemacht?
In den letzten zehn Jahren hat sich für mich herauskristallisiert, wie wichtig die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen ist, um voneinander zu lernen. Wir haben in der Vergangenheit bereits mit Marken wie Timberland, Clarks, Umbro und Moncler zusammengearbeitet und haben die Chance bekommen, ihnen die Welt durch unsere Augen zu zeigen und unsere Werte "reduce, reuse and recycle" zu vermitteln. Leider gibt es kein Allheilmittel, die Wahrheit ist, dass man einfach experimentieren, ausprobieren und manchmal auch scheitern muss.

Der Designer rückt noch einmal alles zurecht
Der Designer rückt noch einmal alles zurecht © Raeburn

Glauben Sie, dass Mode einen kleineren ökologischen Fußabdruck erreichen könnte, wenn sich mehr Unternehmen der Nachhaltigkeit verschreiben würden?
Einfach gesagt, zu 100 Prozent. Wir müssen alle zusammenarbeiten, um einen Unterschied zu machen und ich glaube fest daran, dass, je mehr Menschen versuchen, das Richtige zu tun, die Veränderungen auch sichtbar werden und auf andere abfärben. Ich kann mich erinnern, dass zu Raeburns Anfangszeiten recycelte Materialien noch zwischen 50 und 70 Prozent teurer waren, heute sind sie um einiges leistbarer und auch besser verfügbar als noch vor einigen Jahren. Wenn man diese Logik auch auf andere Bereiche übertragen würde, und zum Beispiel auch in die Einrichtung eines Reperaturservices investiert, könnte die Modeindustrie ihren Fußabdruck verringern.

Raeburn arbeitet mit sehr einzigartigen Materialien. Welches war bislang das interessanteste und auf welches würden Sie heute nicht mehr zurückgreifen?
Eines meiner Lieblingsmaterialien neben den Fallschirmen sind die originalen sogenannten Silk Maps aus den 1950ern, die wir zu Kleidungsstücken für unsere Damenkollektionen machen. Diese Karten wurden ursprünglich Mitgliedern der Royals Airforce im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg überreicht, und halfen ihnen, aus feindlichem Territorium zu flüchten. Ich liebe es, dass jede Person, die ein solches Kleidungsstück kauft, meist auch eine emotionale Verbindung dazu hat. Das ist etwas, dass wir allgemein als Marke versuchen, auch mit unseren anderen Stücken. Hinsichtlich der Materialien, die wir nicht mehr verwenden würden: Wir haben inzwischen einen eigenen Bereich, in dem wir Materialien auf Faktoren wie Atmungsaktivität und Wasserfestigkeit testen und unbrauchbare Stoffe kommen gar nicht über die Testphase hinaus. Früher haben wir definitiv Produkte gemacht, die im Nachhinein nicht zweckdienlich waren. Wir hatten zum Beispiel Parkas, die ja den Anspruch haben sollten, Regen abzuweisen, nur wir haben Material mit Löchern darin verwendet (lacht). Umso wichtiger ist es, solche Fehler klar zu kommunizieren und sie mit Humor zu nehmen.

Sie sprechen viel über die Begriffe "Responsible Design"  und "Responsible Materials", wie würden Sie diese Begriffe für sich definieren?
Wir sprechen bei Raeburn selten über den Begriff "Nachhaltigkeit" an sich, sondern konzentrieren uns auf den Begriff "Verantwortung". Ich sehe es als unsere Pflicht, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, was die Materialien angeht, die wir für unsere Designs nutzen und wie wir diese auf der Welt verteilen. In weiterer Folge soll es auch die Kundinnen und Kunden anregen, über ihre eigene Verantwortung nachzudenken. Wenn Menschen bei uns ein Produkt kaufen, endet die Reise für sie mit uns dort nicht, sondern beginnt erst. Wir bieten zum Beispiel lebenslange Gratisreparaturen an und wollen damit erreichen, dass die Leute ihre Teile so lange wie möglich tragen. Das ist unser Weg, nicht nur über verantwortungsvolles Verhalten zu sprechen, sondern es auch zu leben.

Kann die Ausrichtung einer nachhaltigen Modewoche wie jener in Kopenhagen eine Inspiration für andere Veranstalter sein?
Auf jeden Fall. Wenn Nachhaltigkeit auf großer Ebene eine Bühne gegeben wird, besteht die Hoffnung, dass andere sich etwas davon abschauen. Da wir als Marke uns bereits so lange mit dem Thema auseinandersetzen, freut es uns natürlich auch, wenn wir sehen, dass wir mit unserer Arbeit inspirieren konnten.

Backstage ist es bis kurz vor Beginn der Show stressig
Backstage ist es bis kurz vor Beginn der Show stressig © Raeburn

Sie waren einer der Finalisten für den Zalando Sustainability Award, was bedeutet Ihnen das und welchen Effekt hat das auf Ihr Unternehmen?
Es ist unglaublich, dass wir Teil dieser Plattform sein dürfen, vor allem weil Zalando die Welt von Raeburn dadurch einer komplett neuen demografischen Gruppe eröffnet. Es ist außerdem eine Ehre neben solch tollen Marken wie MWorks und Ranra nominiert gewesen zu sein, die ebenfalls unglaubliche Arbeit hinsichtlich nachhaltigem Modedesign leisten. Das gibt uns zusätzliches Selbstbewusstsein für die Zukunft und zeigt uns, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden. Auf der anderen Seite ist es gleichzeitig eine Challenge für uns, uns darauf zu fokussieren uns immer weiter zu verbessern.

Weil wir über die Zukunft gesprochen haben: Was hält diese für Raeburn bereit?
Was ich in den nächsten Jahren anstrebe, ist, unseren Leitsatz "Remade in England" weiterzudenken. Derzeit stellen wir all unsere Produkte in England her, doch wie können wir global und doch lokal denken und arbeiten – "Remade in Germany" oder "Remade in Scandinavia" zum Beispiel. Das heißt nicht, dass wir Raeburn in jedem Land wollen, doch es gibt so viele lokale Unternehmen in anderen Ländern, die gleich denken und ähnliche Werte vertreten wie wir, und mit denen würden wir uns gerne vernetzen und gemeinsam arbeiten. Das ist zumindest meine Mission.