Wir haben uns für den ersten möglichen Termin, ab Mitte September entschieden, und heute, am ersten Tag, lässt uns das Wetter spüren, was wir im Sommer „versäumt haben“: Es hat immer noch fast 40 Grad, und es ist die längste Teilstrecke von allen, die wir heute vor uns haben. Vom Startpunkt, Antequera, hinauf nach Lucena sind es 70 Kilometer – die ziehen sich bei der Hitze auch auf dem E-Bike.

Noch wirkt der Vorabend in uns nach. Es war der Ehrentag der Schutzpatronin Eufemia. Andächtig standen wir am Straßenrand, als ihre Statue an einem Feuer vorbei in Richtung Kirche getragen wurden, von 30 kräftigen Männern, die sich gemessenen Schrittes vorwärts bewegten und im Takt der Musik wiegten.  Was für ein feierlicher Moment auch für uns, die wir nur am Rande stehen und nicht mittendrin.

Hardeep Singh übergibt uns am ersten Tag der Tour in der Früh die Räder. Er ist der Gästebetreuer von Eurobike, ihn werden wir künftig jeden Morgen sehen. Denn Hardeep ist derjenige, der unser Gepäck von Hotel zu Hotel transportiert. Welch ein Luxus: Die Koffer sind schon da, wenn wir schwitzend mit dem Drahtesel das Ziel erreichen.

Monumente aus der Steinzeit

Es ist ein langsamer Start in die Saison, außer uns sind nur noch zwei belgische Touristen neu angekommen. Alle haben denselben Weg, aber jeder Reisende bzw. jedes reisende Paar fährt für sich. Am Abend trifft man sich – und tauscht Geschichten über die Abenteuer aus, doch davon später. Heute geht es für uns als erstes zum Dolmen de Menga, am Ortsausgang von Antequera. Die andalusischen Megalith-Monumente aus der Jungsteinzeit zählen zum UNESCO-Welterbe. Der Blick vom Ausgang des Hügelgrabes aus lässt erahnen, warum es just an dieser Stelle errichtet wurde.

Danach geht‘s stetig bergauf, und die Hitze drückt. Eine alte Wasserstelle am Wegesrand bietet die Gelegenheit, die Wasserflaschen aufzufüllen. Ein atemberaubender Ausblick nach dem anderen eröffnet sich auf die endlos scheinende Kette von Hügeln, bedeckt mit Olivenhainen, die ihre Muster in die Landschaft zeichnen. Das Ziel dieses ersten Tages, Lucena, erreichen wir fast 70 Kilometer später. Eine herzhafte, andalusische Blutwurst in einem Dorfwirtshaus samt isotonischem Radler stärkt uns und lässt uns die letzte Wegstrecke überwinden.

Radeln auf der Bahntrasse

Am zweiten Tag geht’s von Lucena nach Doña Mencía. Es ist nicht ganz so heiß, es ist nur halb so weit, und es geht auf einer alten Bahntrasse ausgesprochen gemütlich dahin. Lucena galt dem Mittelalter als die Perle von Sefarad – der jüdische Name für Spanien. Ein siebenarmiger Leuchter an der Stadteinfahrt erinnert daran. Die große Markthalle, der belebte Platz im Zentrum, der alte Palast – hier ließe es sich verweilen, doch nach einem kurzen Besuch im Museum des Palasts brechen wir auf.

Am alten Bahnhof biegen wir in den Radweg ein, er führt vorbei an Felsen, hindurch durch alte Tunnels, hinweg über wunderbar erhaltene Viadukte und entlang an zahllosen Olivenbäumen. Die „Via Verde de la Subbética“ schlängelt sich durch die Sierras Subbéticas– eine Gebirgsregion, in der Oliven und Wein angebaut werden und die als Naturpark ausgeschildert ist.  Doña Mencía ist ein beschaulicher Ort oberhalb des Weges.

Tag 3, heute geht es weiter bis Córdoba.  Es sind wieder mehr Kilometer, rund 60, und zwei längere Steigungen, aber die Hitze drückt nicht mehr so. Hardeep nimmt jeden Tag morgens unsere Koffer entgegen. Heute steigen wir zu ihm ins Auto, samt Rädern auf dem Anhänger: Er bringt uns nach Baena, erst von dort aus radeln wir weiter. Eurobikes nimmt, was es an guten Hotels kriegen kann, die Auswahl ist beschränkt. Ursprünglich gab es ein Hotel in Baena, das Zielort der zweiten Wegstrecke war, aber es musste schließen, als Folge der Pandemie. Wie es uns geht, fragt Hadeep unterwegs. Gut natürlich. Dass wir die Beine spüren und der Hintern schmerzt, gehört dazu…

Hardeep, der Gästebetreuer von Eurobike
Hardeep, der Gästebetreuer von Eurobike © Claudia Gigler

Heute geben wir Gas – wir wollen das für 18 Uhr Online gebuchte Zeitfenster für die Mesquita, die Kirche bzw. Moschee in Córdoba, nicht verpassen. Olivenplantage um Olivenplantage schrauben wir uns die Hügel hoch, der Straßenbelag ist teils erbärmlich, aber dafür ist die Straße praktisch ohne Verkehr. Der heiße Sommer trocknete die Felder aus, wüstenartig weiß liegen sie vor uns. Die Abfahrt nach Córdoba belohnt uns mit Fahrtwind, der kühlt. Es geht sich locker aus, inklusive Dusche im Hotel, für den Marsch zur Moschee.

Weltkulturerbe Córdoba

Die Mezquita-Catedral – ebenfalls Unesco-Weltkulturerbe - beeindruckt Besucher mit ihrer schlichten Größe: Sie bedeckt eine Fläche von mehr als 23.000 Quadratmetern und ist einer der größten Sakralbauten der Welt.  Im maurischen Spanien war es die Hauptmoschee. Der riesige Betsaal ist durch Hufeisenbögen in 19 Schiffe mit bis zu 36 Jochen unterteilt. Im 16. Jahrhundert wurde ein gotisches Kirchenschiff hineingebaut und das Minarett durch einen Glockenturm ersetzt. Wie so oft in Andalusien verschmolzen arabische und christliche Tradition zu einem neuen Stil.

Wir wandern durch die Innenstadt – so viele Plätze zum Verweilen! Gekachelte und blumenumrankte Hauseingänge, enge Gässchen, gesäumt von kleinen Läden und Lokalen. Immer wieder Anklänge an antike Tradition: Die römische Brücke in die Stadt hinein, der römische Tempel, dessen Säulen noch heute hoch aufragen, das römische Museum, vor dem es sich trefflich den Sonnenuntergangs-Drink genießen lässt.

Córdoba ist für uns einer der Höhepunkte der Tour, doch auch hier ist uns nur eine Nacht beschieden. Am nächsten Tag starten wir in Richtung Palma de Rio. Den Guadalquivir geht es entlang in Richtung Westen, eine grüne Idylle. Am vierten Tag sind es auch nicht nur die silbrigen Oliven, die unseren Weg säumen, sondern das satte Grün der Orangenbäume erfreut das Auge, unterbrochen von Mandelplantagen.

Ein Kloster als Traumkulisse

Bis jetzt waren es wenige Radler, die uns auf dem Weg begegneten. Zwischen Cordoba und Sevilla wird es belebter. Es geht jetzt auch öfter bergab als bergauf, und am Abend wartet ein besonderes Kleinod auf uns: das Hotel Monesterio de San Francisco. Ein altes Kloster – traumhafte Kulisse, von innen wie von außen.  Ein Pool lockt mit kühlem Nass. Der geflieste Speisesaal inmitten dicker Mauern gibt auch dem Abendessen eine kühle Note.

Unser vorletztes Ziel: Carmona. Zu Oliven-, Orangen- und Mandelbäumen gesellen sich jetzt Baumwollfelder. Die Bewässerung durch den Guadalquivir macht’s möglich. Der Straßenbelag ist dürftig, doch wir haben es nicht mehr eilig. Fünf Tage Fahrt durch die endlosen Weiten Andalusiens verleihen Gelassenheit. In einem kleinen Café gönnen wir uns eine Cola, zwei alte Herren in Radlerkluft sehen unsere E-Bikes und reden uns an. Ein paar Brocken Spanisch reichen, um unter zusätzlichem Einsatz von Händen und Füßen die gemeinsame Liebe zum Zweirad zu beschwören. Später eine Straße mit mehr Verkehr, doch alle Spanier machen einen großen Bogen um uns. Kein einziger Moment, zu dem wir uns fürchten müssen vor Rasern.

Radeln auf der Autobahn

Das Hotel Alcázar De La Reina liegt ganz oben auf dem Hügel von Carmona, ein wunderschönes altes Gebäude mit bezauberndem Innenhof. Von hier aus lässt es sich geruhsam durch die beschauliche Innenstadt bummeln, im Wissen darum, dass uns am nächsten Tag die quirlige 700.000-Einwohner-Stadt Sevilla erwartet. Ein letztes Mal übergeben wir die Koffer am Morgen Hardeep. Ein letztes Mal treten wir in die Pedale. Ein letztes Mal treffen wir unsere Reisekollegen aus Belgien, und heute gibt es tatsächlich ein Abenteuer zu erzählen: Eine gesperrte Straße, die einzige Alternative - so schien es - über die Autobahn. Wir schafften es über einen Schotterweg und eine Brücke über den Fluss und kamen über eine Landstraße weiter. Die Belgier fuhren tatsächlich 12 Kilometer per Bike über die Autobahn. Ein Straßenarbeiter hatte sie kommentarlos dorthin gewiesen…

„So sorry“, entschuldigt sich Hardeep. Es war die einzige Panne auf unserer Tour. Er verabschiedet uns am Bahnhof. Hinein nach Sevilla gibt’s nur autobahnartige Straßen, daher überlässt er uns für die restlichen 20 Kilometer der Eisenbahn. 313 Kilometer per Bike haben wir hinter uns, sagt uns der Tachometer. Andalusien, wir kommen wieder!