Corona fegt unsere Städte vorsichtshalber leer. Brutaler und im Endeffekt tödlicher erledigte das einst die Pest. Ein einzigartiges Beispiel dafür liegt in Kroatien: Dvigrad im Lim-Tal auf der Adria-Halbinsel Istrien. Von seinen vormals 1000 Einwohnern waren nach Cholera-, Malaria- und Pest-Epidemien 1650 nur noch drei Familien übrig, die schließlich freiwillig die Flucht ergriffen. Dvigrad blieb als Geisterstadt zurück. Bis heute.

Im Sommer tummeln sich Touristen zwischen den Ruinen, im Winter Bauarbeiter. Sie sind damit beschäftigt, die Überreste der mehr als 220 Häuser zu konservieren. Wo der Verfall gestoppt werden konnte, ist leicht zu erkennen. Der Rest des Areals wird weiter von der Natur regiert. Wer auf diese Pfade abbiegt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. In den Mauern sind zum Beispiel Nischen zu entdecken, in denen früher kleine Heiligenstatuen aufgestellt waren.

Ein Teil der Ruinen wurde konserviert
Ein Teil der Ruinen wurde konserviert © Styria/Helmuth Weichselbraun

Der kroatische Name Dvigrad geht auf das lateinische Duo Castra (zwei Befestigungen) zurück und erzählt die Entstehungsgeschichte der Stadt: Sie wuchs aus zwei Burgen zusammen. Die Siedlung war wegen ihrer strategisch guten Lage begehrt, außerdem blühte der Handel durch die Nähe zum Limski-Kanal. In dem fünf Kilometer entfernten Meeresarm betrieben schon die Römer ertragreiche Fisch- und Muschelzuchten. Nach ihnen herrschten in der Gegend Langobarden, Franken, Bayern, die Grafen von Görz und ab dem 15. Jahrhundert die Venezianer. 

Massengrab entdeckt

Am höchsten Punkt von Dvigrad stand neben dem Stadtpalast die Kirche, die der heiligen Sophia geweiht war. Die letzte Umbauphase datiert auf das 14. Jahrhundert. Bemerkenswert ist, dass hier noch bis 1801 Gottesdienste stattfanden, obwohl die Stadt rundherum längst leer stand. Vielleicht feierte man die gespenstischen Messen im Gedenken an die hier verscharrten Pestopfer. 2005 legten Archäologen im Kirchenareal zahlreiche Gräber mit menschlichen Gebeinen frei. Die Anordnung der Skelette lässt eine „unordentliche Sammelbestattung vermutlich während einer Epidemie“ vermuten.

220 Häuser, rundherum eine Stadtmauer und drei Wehrtürme: Das war Dvigrad
220 Häuser, rundherum eine Stadtmauer und drei Wehrtürme: Das war Dvigrad © Styria/Helmuth Weichselbraun

Erfolglos blieben die Ausgrabungen bis dato in Bezug auf eine Legende, die sich um Dvigrad rankt. Es wird gemunkelt, dass der britische Freibeuter Henry Morgan (1635–1688) einen Teil seiner Schätze in der Stadt versteckt hätte. In Wahrheit war der Pirat aber am anderen Ende der Welt unterwegs. Das war lange vor der Erfindung der Reisewarnung.