Die sechs untersuchten Labels variieren teils massiv in der Höhe der Anforderungen und der Seriosität der Kontrollen. "Wer sozial und ökologisch nachhaltige Lederwaren und Schuhe sucht, wird dafür kein umfassendes Gütesiegel finden", sagt Gertrude Klaffenböck, Lieferketten-Expertin bei Südwind. Vor allem beim Schutz von Arbeitsrechten und Sozialstandards zeigen die untersuchten Zertifikate große Mängel. Darüber hinaus eint alle Labels die grundlegende Schwäche, dass es sich um freiwillige Initiativen handelt. "Unternehmen, die ihre Umwelt- und Sozialstandards nicht einhalten, riskieren höchstens den Entzug des Zertifikats. Für eine verbindliche Einhaltung von Arbeitsrechten und Umweltstandards braucht es eine entsprechende Rechtsgrundlage in Form von Gesetzen und einer effektiven Durchsetzung, gerade in einem so prekären Bereich wie der Lederverarbeitung", so Gertrude Klaffenböck. 

Nur für zwei gibt es gesetzliche Regeln

Die von Südwind und INKOTA untersuchten Leder-Labels sind das "Umweltzeichen Blauer Engel für Schuhe", "Oeko-Tex Leather Standard", "Naturleder IVN zertifiziert", das "Österreichische Umweltzeichen" sowie die beiden Business-to-Business-Zertifizierungssysteme "Leather Working Group (LWG)" und "Higg Brand and Retail Module (Higg BRM)". Davon basieren nur der Blaue Engel und das Österreichische Umweltzeichen auf gesetzlichen Regelungen. Die anderen vier orientieren sich vornehmlich an Interessen der Stakeholder. Der Fokus der Siegel liegt vor allem auf Material-bezogenen Kriterien und Umweltindikatoren. Für arbeits- und menschenrechtliche Kriterien gibt es nur sehr schwache Vorgaben. So werden Sozialstandards bei LWG und Oeko-Tex Leather Standard nicht miterfasst. Higg BRM bietet dazu keine Informationen. Ausreichende Angaben zu existenzsichernden Löhnen gibt es bei keinem der untersuchten Gütesiegel.

Kein Beleg für Sorgfaltspflicht

Alle Labels haben die gleichen grundlegenden Schwachstellen: Ihre Anwendung ist freiwillig und die Überprüfung ist intransparent. So gibt es kaum Einblicke in die Audits, die den Zertifizierungen zugrunde liegen, oder gar Details zu den Ergebnissen. "Für menschenrechtliche Sorgfaltspflicht sind Gütesiegel kein ausreichender Beleg. Sie bieten höchstens eine eingeschränkte Risikominimierung, vor allem bei ökologischen Faktoren", sagt Südwind-Expertin Klaffenböck und fordert: "Die Politik muss die Einhaltung geltender Arbeits- und Menschenrechte sowie Umweltstandards durch Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette gewährleisten. Dafür braucht es Regeln für verbindliche Sorgfaltspflichten im Rahmen strenger Lieferkettengesetze, deren Einhaltung vor Gericht eingeklagt werden kann. Selbstverpflichtung und intransparente Prüfungen reichen nicht aus."  

Die OECD hat die Lederproduktion als besonderen Risikosektor für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgewiesen. Bei der Produktion von Lederwaren und Schuhen sind massive Arbeitsrechtsverletzungen keine Seltenheit. Geringe Löhne, extrem lange Arbeitstage und kaum regulierte Arbeitsbedingungen sind die Regel. Dazu kommen ein intensiver Einsatz schädlicher Chemikalien, mangelhafte Schutzausrüstung und weitreichende Umweltrisiken.

"Together for Decent Leather"

Die österreichische Menschenrechtsorganisation Südwind ist einer von sieben Partnern der europäisch-asiatischen Initiative Together for Decent Leather. Diese hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitsbedingungen entlang der internationalen Lieferketten von Lederwaren zu verbessern und zu einem Ende von ausbeuterischer Arbeit beizutragen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Zentren der Lederproduktion in Südasien, insbesondere in den Bezirken Vellore und Chennai in Tamil Nadu in Indien, im Großraum Karachi in Pakistan und im Großraum Dhaka in Bangladesch.