Unsere Leserin hatte bisher ein gutes Einvernehmen mit ihrer Nachbarin. Nun hat diese aber knapp am Gartenzaun eine Eberesche gepflanzt und will partout nicht einsehen, dass diese Aktion nicht dem nachbarschaftlichen Frieden dient. "Das werden doch stattliche Bäume, die mehr als 10 Meter hoch werden und ordentlich in die Breite gehen", ist unsere Leserin entsetzt: "Früher oder später steht dann doch der halbe Baum auf meinem Grund, nimmt mir Licht und macht zusätzlich noch Mist", sagt sie und will wissen: "Habe ich da das Recht nicht auf meiner Seite?"

Zunächst geht es nur um das Pflanzloch

Wir haben dazu den Leibnitzer Rechtsanwaltsanwalt Jörg Grössbauer befragt. Er sagt: "Wer ein Grundstück besitzt, ist in dessen Nutzung nicht eingeschränkt. Bei der Pflanzung von Sträuchern und Bäumen in Grenznähe ist nur zu beachten, dass sich das Pflanzloch zur Gänze auf dem eigenen Grundstück befinden muss und dass auch die Krone eines Baumes oder die Zweige zum Zeitpunkt der Pflanzung nicht in das Grundstück des Nachbarn hineinragen dürfen." Unsere Leserin könne daher die Pflanzung eines Baumes bis in den Bereich von etwa 30 Zentimeter an die Grundstücksgrenze heran nicht verhindern.

Das sogenannte "Überhangsrecht"

Wenn später entsprechend dem natürlichen Wachstum Wurzeln und Äste der Pflanze in das Grundstück unserer Leserin hineinwachsen, gilt das sogenannte Überhangsrecht: "Gemäß Paragraf 422 ABGB kann jede Person die im eigenen Luftraum hängenden Teile der Pflanze benützen oder abschneiden." Dabei habe man freilich fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen. "Die Kosten für die Entfernung müssen die beeinträchtigten Grundstückseigentümer und -eigentümerinnen freilich selbst tragen", fügt der Experte hinzu. Sollten unserer Leserin durch die Wurzeln und Äste später einmal ein Schaden entstehen oder offenbar drohen, habe ihre Nachbarin die Hälfte der notwendigen Kosten zu tragen.

Weniger Licht

Wenn es später einmal durch das Höhenwachstum des Baumes zu einer massiven Beschattung des Grundstücks unserer Leserin kommt, ist grundsätzlich Paragraf 364 ABGB anzuwenden. Demnach kann sie ihrer Nachbarin die von deren Grund ausgehenden Einwirkungen untersagen, als diese das nach örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Was genau ortsüblich ist und was eine wesentliche Beeinträchtigung ist, ist freilich nicht einfach und immer individuell zu beurteilen und den Streit vor Gericht auszutragen, kann aufgrund des ungewissen Ausgangs bzw. des Kostenrisikos niemandem empfohlen werden. Der Rat für unsere Leserin lautet also, im Sinne einer nachhaltigen Lösung einfach noch einmal das Gespräch mit der Nachbarin zu suchen, die eigenen Bedenken zu äußern und einen Kompromiss zu finden – eventuell im Sinne einer Pflanzung eines (anderen) Baumes in Zwergform.