Sind die Zügel der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Zeiten von Corona lockerer oder strenger? Gibt es in der DSGVO überhaupt Regeln, die für übergeordneten Gesundheitsinteressen, wie sie derzeit gelten, Vorsorge treffen? Der Jurist Stefan Schoeller über die wichtigsten neun Aspekte zum Thema:

Stefan Schoeller ist Partner bei PMSP Rechtsanwälte in Graz
Stefan Schoeller ist Partner bei PMSP Rechtsanwälte in Graz © (c) DJAKOB.at

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  1. Grundsätzlich ist klar, dass personenbezogene Daten über Coronainfektionen, Verdachtsfälle und Kontaktpersonen zu sogenannten sensiblen Gesundheitsdaten zählen, die nach dem Datenschutzrecht besonders geschützt sind.

  2. Das übergeordnete Gesundheitsinteresse im Datenschutzrecht sieht jedoch die Interpretation vor, dass Gesundheitsdaten jeweils eingeschränkt und mit Sorgfalt reduziert in dem Umfang verwendet werden dürfen, der notwendig ist, um die neuen Gesetze der Regierung einzuhalten um die Verbreitung des Virus einzudämmen und die Gemeinschaft zu schützen.

  3. Vor diesem Hintergrund muss der Dienstgeber Verdachtsfälle erheben, verarbeiten und melden, die die DSGVO zur Verarbeitung zum Zweck der Gesundheitsvorsorge erlaubt.

  4. Weiters existiert eine generelle Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, die ebenfalls die Erhebung, Verarbeitung und von Gesundheitsdaten im angemessenen Umfang rechtfertigt und den Dienstgeber diesbezüglich sogar in die Pflicht nimmt.

  5. Aus diesem Grund sieht Artikel 9 Abs.2 lit. b DSGVO den Erlaubnistatbestand der Verarbeitung zum Zweck der Erfüllung arbeits- und sozialrechtlicher Pflichten vor, der im vorliegenden Fall aus Schoellers Rechtsseicht angewendet werden kann.
  6. Weiters sieht – auch hier ist eine Einschränkung des grundsätzlichen Verbotes der Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten erkennbar – das Epidemiegesetz (§ 5 Abs. 3) die Verpflichtung des Arbeitgebers vor, auf Verlangen der Bezirksverwaltungsbehörde Auskunft über Infektionen und Verdachtsfälle zu erteilen.
  7. „In meiner Beratung hat sich weiters die Spezialfrage gestellt, ob bei der Verteilung von Informationen des Dienstgebers an seinen Arbeitnehmer eine offene, mit allen E-Mail-Adressen einsehbare Gruppe gebildet werden darf, wo vorher nur das Anschreiben von einzelnen Personen ohne Sichtbarkeit der anderen Gruppenteilnehmer erlaubt war“, erzählt der Rechtsanwalt. Seine Antwort auf diese Frage: „Dies ist vorübergehend, in Fällen der umfassenden und schnellen Information aus meiner Sicht (aufgrund der Fürsorgepflicht des Dienstgebers und der Rechtspflicht, die von der Regierung angeordneten Schutzmaßnahmen umzusetzen) gerechtfertigt.“

  8. Auch der vormals kritisch zu sehende WhatsApp-Verkehr wird nach Schoellers Ansicht vorübergehend als Art des Kommunikationsmittels in Betrieben erlaubt sein, soweit per WhatsApp keine gesundheitsbezogenen oder personenbezogenen Daten an sich (Befunde, Namen von Infizierten) transportiert werden, „da dies ohne Zweifel das aktuelle Mittel der Kommunikation ist, wenn Mitarbeiter zuhause nicht ständig berufliche E-Mails abrufen können.“

  9. Die Datenschutzbehörde hat es in diesen Tagen auch ausdrücklich als zulässig bezeichnet, dass der Arbeitgeber die private Handynummer der Arbeitnehmer erfragt und temporär speichert, um kurzfristig über eine Infektion im Betrieb oder in der Behörde warnen zu können, damit diese nicht am Arbeitsplatz erscheinen müssen, wenngleich Arbeitnehmer zur Bekanntgabe nicht gezwungen werden können. „Der über der DSGVO stehende Grundsatz der Datenminimierung verpflichtet den Dienstgeber ohne Zweifel dazu, nach Ende der Krise diese Art der Datenerhebung und Verwendung ersatzlos einzustellen und Daten zu löschen.“