Unsere Leserin hält als kleine Nebenerwerbslandwirtin Hühner auf ihrem Grundstück. Gelegentlich kommt es trotz Vorsichtsmaßnahmen vor, dass ein Huhn ausbüxt und sich auf dem Nachbargrundstück herumtreibt, worauf der Nachbar leider aggressiv reagiert. „Er droht immer wieder damit, das nächste Tier, das er auf seinem Grund und Boden findet, umzubringen“, klagt die Frau, die den begründeten Verdacht hegt, dass bereits ein totes Huhn auf seine Kappe geht. Unsere Leserin und fragt sich: „Welche Handhabe habe ich dagegen? Tiere sind in Österreich ja leider nur eine Sache.“

Der Leibnitzer Rechtsanwalt Wolfgang Reinisch, den wir dazu um eine Stellungnahme gebeten haben, sagt: „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Hühner zu den beherrschbaren Tieren gehören. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt und Maßnahmen ist es dem Halter folglich auch bei artgerechter Haltung ohne Schwierigkeit möglich, zu verhindern, dass sie auf das Nachbargrundstück gelangen. Der oberste Gerichtshof hat schon mehrfach festgestellt, dass eine frei laufende Haltung von Hühnern heute nicht mehr üblich ist, sodass Hühner eingezäunt zu halten sind.“ Aufgrund der immer wieder vorkommenden Ausbrüche der Hühner unserer Leserin sei davon auszugehen, dass der von ihr errichtete Zaun entweder in der Höhe oder in der sonstigen Ausgestaltung wohl nicht den Erfordernissen entsprechen wird.

„Daraus ergibt sich, dass Ihre Leserin grundsätzlich gegenüber dem Nachbarn in regelmäßigen Abständen Eigentumsverletzungen zu verantworten hat“, sagt der Jurist. Dagegen könnte der Nachbar ohne weitere Schwierigkeiten mit der Eigentumsfreiheitsklage gemäß Paragraf 523 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) oder auch mit Unterlassungsklage gemäß Paragraf 364 ABGB vorzugehen.

Zur Vermutung, Tiere hätten vor dem Gesetz nur den Wert einer Sache, sagt Reinisch: „Gemäß Paragraf 285a ABGB sind Tiere keine Sachen und werden durch besondere Gesetze geschützt. Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere allerdings insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.“ Selbstverständlich berechtige die von unserer Leserin zu vertretende Eigentumsverletzung den Nachbarn nicht, Hühner zu töten oder zu quälen. „Da Hühner zu den Wirbeltieren gehören, ist sowohl deren Quälen als auch deren mutwilliges Töten als Tierquälerei im Sinne des Strafgesetzbuches anzusehen und mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. „Die im Sachverhalt geschilderte Tötung der Hühner ist selbstverständlich als mutwillig anzusehen und keinesfalls durch irgendein Selbsthilferecht des Nachbarn gedeckt.“

Unsere Leserin könnte daher eine Anzeige wegen Tierquälerei einbringen und auch Schadensersatzansprüche wegen der Tötung der Hühner geltend machen. Sie müsste dann aber wohl auch mit einer Unterlassungsklage oder Eigentumsfreiheitsklage des Nachbarn rechnen.