Was mit virtuellen Hasenohren als lustiger Trend bei Snapchat begonnen hat, geht jetzt in eine neue Richtung. Beauty-Filter lassen die Gesichter ihrer Nutzer wie auf dem Cover eines Modemagazins erstrahlen. Von der Wimper bis zur Nasenspitze, alles wird mit einem Klick auf ein bestimmtes Schönheitsideal „optimiert“ und wirkt dabei täuschend echt. Gerade Nutzerinnen posten immer wieder Videos und erzählen: "Seht her, ich habe diesen Filter benutzt, weil ich die Farben mochte, aber schaut genau hin, das ist nicht mein Gesicht", dann wird der Filter entfernt und sie zeigen ihr wahres Äußeres.
Filter-Designer
„Shiny foxy“ nennt sich einer der beliebtesten Filter auf TikTok. Entworfen wurde er von einer Designerin, die sich Sasha Soul nennt. Über Instagram erzählt sie uns, sie habe 2019 damit begonnen und davor Motion Design und Grafik studiert: „Ein Filter entsteht aus Codes, Bildern und anderen Parametern. Meine Filter reflektieren, wie ich Schönheit sehe.“ Sie mochte zu Beginn keine Filter, sie fand ihr Gesicht dabei unnatürlich und verzerrt. Ihr sei Schönheit wichtig, sie mag ihr Aussehen, wenn sie sich im Spiegel betrachtet. Doch das Selfie am Handy zeigte ihr ein anderes Bild und die Fehler der Kamera wollte sie ausbügeln.
Instagram und Co geben Schönheitsideal vor
Der plastische Chirurg René Draxler ordiniert in Wien und der Steiermark und spürt den Einfluss der sozialen Medien auf seinen Berufsstand immer mehr. "In den USA und Großbritannien sind Gesetze in Ausarbeitung, die es Kunden verbieten, mit gefilterten Selfies zum Schönheitschirurgen zu gehen. Immer öfter kommen Kundinnen mit Instagram-Fotos von Influencerinnen zu mir und wollen etwa wie Kylie Jenner aussehen", sagt Draxler und hält diesen Trend für nicht ungefährlich. Für ihn wird eine künstliche, scheinbar perfekte Realität in den sozialen Medien kreiert, die in der echten Welt nicht einlösbar ist. Gerade junge Erwachsene, die in ihrem Selbstbild noch nicht gefestigt sind, sieht er gefährdet: "Sie verschönern sich auf Knopfdruck, bekommen dafür positive Bestätigung im Netz und laufen Gefahr, in der Realität an diesem Anspruch zu scheitern."

Fake und Realität
Der Medienpsychologe Tobias Dienlin, der an der Universität Wien die Effekte sozialer Medien untersucht, sieht darin einen Bereich, der kritisch begleitet werden muss: "Es gibt mehrere Ebenen. Zuerst muss man das Wissen darüber haben, dass es sich um einen Filter handelt und nicht der Realität entspricht. Das wird durch die technische Entwicklung und mit sogenannten Deepfakes immer schwieriger. Und, man muss betrachten, was es mit der Stimmung der Nutzer macht." Genau hier beruhigt der Wissenschaftler aber in gewisser Weise auch. Laut Dienlin zeigen Untersuchungen, dass die Nutzung sozialer Medien kaum negativen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit hat. "Grundsätzlich ist eine positive Selbstdarstellung über Fotos nichts Neues, jeder will gut aussehen. Wichtig ist, dass das Ergebnis mit der Realität verhaftet bleibt und sich nicht zu weit davon entfernt."

Perfekte Inszenierung
Für Sasha Soul emanzipieren die Filter sogar und der Trend geht in Richtung Natürlichkeit: "Es geht nicht darum, Gesichtszüge zu verändern, sondern die Verzerrungen der Handykamera auszubügeln und die Selbstakzeptanz damit zu steigern." Und niemand braucht Influencer, um ihr perfektes Aussehen zu beneiden. Denn laut Soul lassen sich mittlerweile viele von ihnen eigene, auf sie abgestimmte Filter kreieren, um sich immer perfekt in der schönen neuen virtuellen Welt inszenieren zu können.
