Als „Wirtsbua“ wuchs Alex Koblinger in Hinterstoda auf, in einer Mostgegend in Oberösterreich. Nächste Weinbaugegend: nicht am Radar. In der ersten Saison nach der Hotelfachschule begann das Thema Wein langsam in sein Bewusstsein zu sickern. „Damals durfte nur der Oberkellner Über-100-Schilling-Flaschen öffnen, ich nicht. Das macht schon neugierig. Und ich bin jemand, der immer weiterkommen, Neues erleben, lernen will.“

In der zweiten Saison probierte er ein Glas – "einen zehn Jahre alten Burgunder. Ich war geflasht: Das Zeug schmeckte ja wirklich! Das war der Kickstart.“ Es folgten ein paar Wifi-Kurse, die ersten Module an der Weinakademie, das Schnuppern in das breite Feld der italienischen und spanischen Weine – mit Anfang 20 wollte er „einfach einmal meilenweit weg“ und ging mit seiner jetzigen Frau nach Amerika. Ein Sprung ins kalte Wasser, doch einer, der den Grundstein für seine Sommelier-Karriere legen sollte.

Der Sommelier-Olymp

Eineinhalb Jahre blieben Koblinger und seine Frau in einem kleinen Hotel, einem weinaffinen Haus im Norden New Yorks. Im Alter von 23 Jahren wurde er zum Chefsommelier befördert. „Eine Möglichkeit, die ich in Österreich nie bekommen hätte.“ Dort kam er 2003 auch zum ersten Mal in Berührung mit dem Court of Master Sommeliers, einer Bildungseinrichtung, die bis in den internationalen Sommelier-Olymp führen kann, wenn man die legendär schweren Prüfungen jemals besteht.

In vier (früher drei) Schritten klettert man bis zum höchsten Titel, dem Master. Vielen gelingt das nicht. In so manchem Jahr gibt es keinen Absolventen. Man baut weniger auf Schulungen als auf selbstständiges Erarbeiten der Kenntnisse. Nur 267 Master weltweit schafften es bislang in den mehr als 50 Jahren seit der Gründung. Einer von ihnen ist Alex Koblinger.

Blindverkostung lehrt Demut

Doch zurück ins Jahr 2003. „Ich habe damals zum ersten Mal erkannt, was Sommelerie sein kann“, schildert Koblinger. Und er arbeitete sich ein, „ohne so vermessen zu sein, zu denken, ich könnte das jemals schaffen“. Die erste Prüfung legte er in Las Vegas ab. 2004 schaffte er in Birmingham das „Advanced Sommelier Certificate“, die Stufe vor dem Master. Ausfallsquote: durchschnittlich rund 75 Prozent.

Er zog von New York nach Oxford und arbeitete im Le Manoir aux quat Saisons um danach im Burj al Arab in Dubai, einem der luxuriösesten Hotels der Welt, anzuheuern. Mit 25 wurde er Chefsommelier bei den Obauers. Elf Jahre blieb Koblinger in Werfen. In dieser Zeit versuchte er das erste Mal sein Glück mit dem Master. 2007 fuhr er zur Prüfung nach London, um „wie ein geschlagener Hund“ wieder nach Hause zu kommen. „Es war eine Katastrophe“, erinnert er sich. 2008 der nächste Versuch, die nächste Nullrunde.

Master-Sommelier Alex Koblinger
Master-Sommelier Alex Koblinger © @alexkoblinger.com

„Ich musste mein Lernsystem umstellen, investierte ein weiteres Jahr.“ 2009 schaffte er dann den Praxisteil. Blieben noch zwei Jahre, in denen Blindverkostung und Theorie zu absolvieren waren, sonst hieß es „zurück an den Start“. Doch 2010 klappte es dann mit der Verkostung („eine Blindverkostung lehrt immer Demut“).  2011 mit der Theorie.

Rebsorten speichern

Wie aber lernt man für die Prüfung aller Prüfungen? „Man fängt mit den Rebsorten an“, erklärt Koblinger. „Jede hat ihre Fährte, ihren Eigengeruch. Dann muss man wissen, wo sie angebaut wurden. Man speichert Geruchs- und Geschmacksparameter ab. Einen Sauvignon blanc aus der Südsteiermark, einen aus Neuseeland und so geht es weiter. Danach kommen noch die Jahrgänge dazu, die Witterung, die anderen Parameter. So schafft man sich ein Fundament.“  

Weine, die weltweit von Relevanz sind, kommen bei der Prüfung ins Glas, schildert er weiter. Auch ein Sommelier aus Tokio muss einen steirischen Sauvignon erkennen, ebenso wie einen Grünen Veltliner aus der Wachau. Zwischenfrage: Ist steirischer Sauvignon denn marktrelevant? „Absolut! Die Steiermark gilt als eines der klassischen Gebiete für Sauvignon blanc weltweit“, betont Koblinger.

Sake Samurai

Die Jahre nach dem bestandenen Master wurden mit weiteren Erfolgen bereichert. Eine Auswahl: bester Sommelier Österreichs 2011 von der Österreichischen Sommelierunion, siebenfacher Sommelier des Jahres (u.a. Vineus Wine Culture Award, Falstaff, Gault&Millau, FAZ). Und: Als erster Österreicher wurde Koblinger 2018 in einer Zeremonie von "The Japan Sake Brewers Association Junior Council" zum Sake Samurai ausgezeichnet („ein Moment fürs Leben“). Im gleichen Jahr wurde er Internationales Vorstandsmitglied beim Court of Master Sommeliers.

Heute ist Alex Koblinger Chefsommelier in Döllerers Genusswelten wie auch Service- und Qualitätsmanager in Döllerers Weinhandel in Golling. Nach zwei bewegten Jahrzehnten mit dem Thema Wein zieht er Resümee: „Wein ist keine Trophäe, keine hochkomplexe Angelegenheit, sondern vor allem Begegnung. Mit visionären Winzern, mit interessierten Gesprächspartnern, mit gleichgesinnten Kollegen.“

Und er bleibt weiter neugierig. Mit seinem Unternehmen „taste outside THE BOX“ zeigt er Interessierten, dass die Weinwelt ein einziges großes Abenteuer ist.