Plötzlich sind sie da, am häufigsten an den Beinen - und wollen nicht mehr verschwinden: Ein Prozent der Bevölkerung leidet an Wunden, die nicht mehr heilen. Bei den über 80-Jährigen steigt die Häufigkeit auf drei Prozent an - solche chronischen Wunden sind somit vor allem ein Problem des Alters. "Und ein Problem, das mit der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung immer größer werden wird", sagt Wundexpertin Barbara Binder von der LKH-Uniklinik Graz. Doch wie entstehen solche chronischen Wunden und wie kann man sie behandeln? Die Expertin beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wann spricht man von einer chronischen Wunde? "Wenn eine Wunde nach acht bis zwölf Wochen trotz Therapie keine Heilung zeigt", sagt Binder.

Warum entstehen solche Wunden? "Dafür gibt es viele Gründe", sagt Binder. Die häufigsten Ursachen sind Venenerkrankungen, arterielle Durchblutungsstörungen oder Diabetes mellitus, die zu Geschwüren vor allem an den Unterschenkeln und Füßen führen. "Und man muss bedenken, dass ältere Menschen oft mangelernährt sind", sagt Binder.

Ernährung beeinflusst Wundheilung

Welchen Einfluss hat die Ernährung auf die Wundheilung? "Die Ernährung spielt eine große Rolle, denn für die Wundheilung ist Eiweiß besonders wichtig", sagt Binder. Viele Patienten hätten einen Eiweißmangel - gleichzeitig leiden aber auch viele ältere Menschen an einer Nierenschwäche, bei der Eiweiß schädlich sein kann. "Hier müssen die verschiedenen Fachrichtungen gut zusammenarbeiten", sagt Binder. Außerdem gebe es Zusatznahrung, die die Wundheilung fördern kann.

Wie sieht die Therapie solcher Wunden aus? "Man muss zunächst herausfinden, was die Ursache für die Wunde ist", sagt Binder. Liegt zum Beispiel eine Durchblutungsstörung vor, muss diese behandelt werden. Das Gleiche gelte für einen schlecht eingestellten Diabetes: Man muss die Grunderkrankung behandeln, damit die Wunde heilt. "In zweiter Linie geht es um die Versorgung der Wunde", sagt Binder.

Wie wird eine chronische Wunde richtig versorgt? "Mit feuchtem Wundmanagement", sagt Binder. Das heißt: Die Wunde wird durch spezielle Auflagen feucht gehalten, damit sie nicht austrocknet. "Der Glaube, eine Wunde müsse austrocknen und verkrusten, ist noch immer verbreitet", sagt Binder und räumt mit einem Mythos auf. Tatsächlich sterben durch das Verkrusten  Wachstumsfaktoren und neue Zellen ab - die Heilung wird dadurch behindert.

Ich habe eine Wunde: Wann muss ich zum Arzt? "Verletzt man sich und die Wunde heilt nicht innerhalb von ein bis zwei Wochen ab, sollte man den Arzt aufsuchen", sagt Expertin Binder. Der erste Ansprechpartner ist der Hausarzt, der dann an spezialisierte Zentren oder Fachärzte (vor allem Hautärzte) überweist.

SONJA SAURUGGER