Angesichts einer Verdreifachung der Affenpocken-Infektionen in Europa innerhalb von zwei Wochen hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die europäischen Länder dringend zum Eingreifen aufgefordert. Die Länder der Region müssten in den kommenden Wochen und Monaten ihre Anstrengungen verstärken, um zu verhindern, dass die Affenpocken "sich in einem größeren geografischen Gebiet festsetzen", forderte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Freitag.

Aus Europa wurden demnach inzwischen mehr als 4.500 Fälle von Affenpocken gemeldet, das sind 90 Prozent aller seit Mitte Mai weltweit registrierten Fälle. Bisher wurden laut WHO in diesem Jahr in mehr als 50 Ländern insgesamt mehr als 3.200 Fälle von Affenpocken gemeldet.

Situation in Österreich

Die Zahl der bestätigten Fälle von Affenpocken in Österreich hat sich seit der Vorwoche beinahe verdoppelt, wenngleich auf nach wie vor niedrigem Niveau. Das Gesundheitsministerium teilte am Freitag der Austria Presse Agentur mit, dass mittlerweile 37 Infektionen bestätigt sind, in der Vorwoche waren es 20. Man stehe "auch weiterhin in einem intensiven Austausch mit den internationalen Behörden", hieß es aus dem Gesundheitsministerium.

Hinsichtlich der Impfstoffbeschaffung befinde man sich "auf einem guten gemeinsamen europäischen Weg". Das Gesundheitsministerium erwartet, dass erste Impfdosen "in den kommenden Wochen nach Österreich kommen" könnten. Es werde "keineswegs" eine allgemeine Impfung der Bevölkerung geben, sie solle aber für einzelne Personengruppen zur Verfügung stehen. Das nationale Impfgremium berate darüber, wer wann geimpft wird.

Deutlich mehr als die Hälfte der Fälle trat bisher in Wien auf. Die Gesundheitsbehörden der Stadt registrierten bisher 21 Affenpocken-Infektionen, wovon laut Mario Dujakovic, Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), 16 derzeit aktiv sind. Fünf Patienten sind bereits genesen. Vier Fälle werden derzeit in der Klinik Favoriten, der Wiener Spezialklinik für Infektionskrankheiten, behandelt.

Bei den aktiven 16 Fällen handelt es sich ausnahmslos um Männer im Alter zwischen 25 und 55 Jahren. Die Symptome gehen in den ganz leichten Fällen von wenig vereinzelten Pusteln bis hin zu breitflächigeren Ausschlägen. Keiner der Betroffenen ist gegen Pocken geimpft, soweit es für die Behörden der Stadt Wien eruierbar war. Die Spitalsaufenthalte seien aber als "reine Vorsichtsmaßnahme" zu betrachten. "Die Krankheitsverläufe selbst machen keinen Spitalsaufenthalt zwingend notwendig", teilte Dujakovic mit.

Viren im Sperma von Patienten

Italienische Forscher gehen dem Verdacht nach, dass Affenpocken über Spermien übertragen werden können. Sein Forschungsteam habe das Sperma von 16 infizierten Männern untersucht und in 14 Fällen das Affenpockenvirus darin nachgewiesen, sagte der Leiter des auf Infektionskrankheiten spezialisierten Spallanzani-Hospitals in Rom, Francesco Vaia. Dieser Befund widerspreche der Vermutung, dass das "Virus nur selten oder zufällig im Sperma" vorkomme, sagte Vaia.

Affenpocken würden zwar hauptsächlich durch "direkten Kontakt" mit den typischen Pusteln übertragen, "aber unsere Studie zeigt, dass auch das Sperma ein Infektionsträger sein kann". Die Ergebnisse der neuen Studie wurden allerdings noch nicht veröffentlicht oder von unabhängigen Experten überprüft. Vaias Team untersucht inzwischen auch, ob das Affenpockenvirus ebenfalls in Scheidensekreten vorkommt.

Auch nach Infektionsende Kondome benutzen

Zudem versucht es herauszufinden, wie lange das Virus nach Auftreten der ersten Symptome noch im Sperma vorhanden ist. In einem der untersuchten Fälle sei das Virus noch drei Wochen nach den ersten Symptomen im Sperma nachgewiesen worden, während die Bläschen bereits wieder abgeklungen seien, sagte der Klinikleiter. Er empfiehlt deshalb, auch nach dem Ende einer Infektion weiter Kondome zu benutzen.

Und auch Oberflächen, die an Affenpocken erkrankte Patienten berührt haben, können hochgradig mit dem Virus belastet sein. Das ist das Ergebnis einer am Freitag veröffentlichten Untersuchung von Forschenden des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Zugleich werde Entwarnung gegeben: Es sei mit der Studie noch nicht bewiesen, dass sich andere Menschen durch den Kontakt der kontaminierten Oberflächen anstecken können.

"Wir gehen davon aus, dass Oberflächen sehr stark belastet sein müssten, um sich durch den Kontakt mit dieser Oberfläche anstecken zu können", sagte Johannes Knobloch, Leiter der Studie und des Arbeitsbereichs Krankenhaushygiene des UKE. Dies betreffe wahrscheinlich vor allem in der Versorgung betroffener Patienten tätige Menschen sowie Personen, die mit einem Erkrankten zusammenleben. "Von öffentlich zugänglichen Handkontaktflächen wie Türklinken oder Aufzugknöpfen geht nach den bisherigen Erkenntnissen keine Gefährdung aus."