Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht Berichten über Funde von Affenpockenviren im Sperma von Patienten nach. Sie will prüfen, ob die Krankheit auch sexuell übertragen werden kann. Gleichzeitig bekräftigte die WHO, dass das Virus hauptsächlich durch engen zwischenmenschlichen Kontakt übertragen wird.

Es sei unklar, ob durch die jüngsten Berichte der Schluss gezogen werden könne, dass das Affenpockenvirus auch sexuell übertragbar ist, erklärte Catherine Smallwood, Leiterin der Abteilung Affenpocken beim WHO-Regionalbüro für Europa. "Das könnte etwas sein, das wir bei dieser Krankheit bisher nicht kannten", sagte sie. Man müsse sich aber auf den häufigsten Übertragungsweg konzentrieren. "Und wir sehen eindeutig, dass dieser mit Haut-zu-Haut-Kontakt zusammenhängt."

Zu den Wegen, auf denen das Virus übertragen werden kann, gehören enger Körperkontakt, etwa beim Sex, und längerer Face-to-Face-Kontakt. Letzteres kann zum Beispiel eine Infektion über Tröpfchen sein. In Österreich waren bisher vier Fälle bekannt, in Deutschland spricht das Robert Koch-Institut (RKI) mit Stand Mittwoch von 263 bestätigten Fällen.

Nachweise in Italien und Deutschland

In den vergangenen Tagen haben Wissenschafter Virus-DNA im Sperma einiger Affenpocken-Patienten in Italien und Deutschland nachgewiesen. Darunter ist eine im Labor getestete Probe, die darauf hindeutet, dass das im Sperma eines einzelnen Patienten gefundene Virus in der Lage ist, eine andere Person zu infizieren und sich zu vermehren.

Der Nachweis viraler DNA bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich bei Affenpocken um eine sexuell übertragbare Krankheit wie HIV/AIDS oder Syphilis handelt. Virale DNA von verschiedenen Viren, darunter auch das Zika-Virus, wurde bereits in Sperma gefunden. Aber es ist unklar, ob das Vorhandensein von genetischem Material das Risiko einer sexuellen Übertragung erhöht. Ob Affenpocken durch Sperma oder Vaginalsekret verbreitet werden können, ist nach Einschätzung des deutschen Robert-Koch-Instituts noch nicht abschließend geklärt, scheint aber möglich.

Weltweite Ausbrüche sind sehr ungewöhnlich

Seit Anfang Mai wurden aus rund 30 Ländern, vor allem in Europa, mehr als 1.300 Affenpocken-Fälle gemeldet. Die Viruserkrankung tritt hauptsächlich in West- und Zentralafrika auf und nur sehr selten andernorts, was die gegenwärtigen Ausbrüche ungewöhnlich macht. Wissenschafter versuchen herauszufinden, was der Grund für den aktuellen Ausbruch ist, woher er kommt und ob sich etwas an dem Virus geändert hat.

"Das Ausmaß dieses Ausbruchs stellt ein echtes Risiko dar; je länger das Virus zirkuliert, desto größer wird seine Reichweite und desto stärker wird die Krankheit in nicht-endemischen Ländern Fuß fassen", sagte auch Hans Henri Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. Damit meinte er Länder, in denen das Virus bis Mai dieses Jahres nicht oder nur selten aufgetreten war.

Das Virus nutze die Gelegenheiten zur Ausbreitung, die sich bieten - es sei nicht per se mit einer bestimmten Gruppe verbunden, sagte Kluge. Bisher sei die Erkrankung in Europa jedoch hauptsächlich bei Männern, die gleichgeschlechtlichen Sex haben, nachgewiesen worden. Dennoch sei der Ausbruch kein Grund, etwa geplante Pride-Veranstaltungen abzusagen, sagte Kluge. Der Sommer mit zahlreichen Events und Festivals sei vielmehr eine Gelegenheit, Teilnehmer mit Informationen über die Krankheit zu erreichen.

Neuer Name für die Affenpocken

Die WHO will den Affenpocken zudem einen neuen Namen geben. Es gebe seit Langem Bestrebungen, Krankheiten nicht mehr nach Tieren oder Regionen zu benennen, um jeglicher Möglichkeit von Diskriminierung oder Stigmatisierung vorzubeugen, sagte ein WHO-Sprecher am Dienstagabend. Zuvor hatte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf angekündigt, dass es in Kürze eine Entscheidung geben soll. Der Begriff Affenpocken etwa könne auf eine Herkunft aus Afrika hindeuten, so der Sprecher. Bis Mai waren das Virus und die Krankheit, beide sollen umbenannt werden, zwar fast ausschließlich aus Afrika bekannt, aber der Name war ohnehin schon irreführend: Das Virus wurde 1958 in Dänemark zwar erstmals bei Affen in einer Versuchsanstalt nachgewiesen. Allerdings dürfte es nach heutigen Erkenntnissen eher unter kleinen Nagetieren verbreitet sein. Die Affen gelten nur als Fehlwirt.