Es ist keine Frage des Hausverstandes, sondern des österreichischen Gesundheitssystems: Warum wird eine Schmerztherapie, die viele Schmerzpatienten miteinbezieht und wissenschaftlich längst bewiesen ist, nicht in ganz Österreich angeboten? Obwohl man weiß, dass Patientinnen und Patienten dank dieses Therapiekonzepts früher in ihre Jobs zurückkönnen, dass sie besser versorgt sind und dass Krankenstände genauso wie der Medikamentenverbrauch reduziert werden.

Es wäre das perfekte Konzept, das Leid von Menschen mit chronischen Schmerzen in Zukunft zu lindern.

Rudolf Likar, Abteilungsvorstand für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und ein international anerkannter Schmerzexperte, hat vor zehn Jahren dieses Therapiekonzept entwickelt.

Er brachte Schmerzmediziner:innen, diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen, Neurolog:innen, Neurochirurg:innen, Orthopäd:innen, Psycholog:innen, Radiolog:innen in einem Konzept unter.

Im Team und in unterschiedlichen Einheiten werden die Betroffenen geschult, betreut, aufgeklärt, es werden ihnen Werkzeuge für Psyche und Körper mitgegeben, um mit den Schmerzen besser "fertig" zu werden.

Vier Wochen dauert so ein Kurs, die Schmerzpatientinnen und -patienten kommen von 8 bis 15 Uhr ins Klinikum Klagenfurt. "Im Vorfeld wird alles abgeklärt. Wir haben ein Drittel mehr Patienten voruntersucht, als wir aktuell aufnehmen konnten (Likar)." Vom Ausdauer- bis zum Krafttraining, vom Genuss- bis zum Achtsamkeitstraining, psychologische wie ärztliche Einzelgespräche bis hin zur Hilfe durch Sozialarbeiter, wenn Probleme am Arbeitsplatz anstehen: Die Betroffenen werden in einen Kokon eingewoben, der Hilfe, Schutz und Halt bietet.

Betroffene berichten

Günter Fritzl hat die multimodale Schmerztherapie gemacht. Er erzählt: "Mitte September habe ich mit der multimodalen Schmerztherapie aufgrund chronischer Schmerzen angefangen. 2011 hatte ich meine ersten Bandscheibenvorfälle, ich wurde operiert, die chronischen Schmerzen blieben. Mir hat das Programm sehr gut geholfen, Hut ab vor dem Team. Die Motivation ist, dass man etwas tut. Der Schmerz ist anders geworden, er ist zwar da, aber gedämpfter durch die Therapie. Man verdrängt den Schmerz irgendwie. Für die Unterstützung in der Arbeitswelt ist die Therapie ein wichtiger Faktor."

Seit zwei Jahren ist das Konzept in Kärnten ausfinanziert. "Wir brauchen nicht mehr kämpfen", sagt Likar. Aber der Rest Österreichs muss sehr wohl darum ringen. "Man stellt zwar vereinzelt ähnliche Projekte wie in Wien oder in Bad Schallerbach auf, aber man sieht kein Gesamtkonzept für Österreich, keine Sensibilisierung für das Thema", kritisiert Likar.

"Dabei haben wir in zehn Jahren gut 1500 Patienten betreut. Und es wäre wichtig, diese Menschen früher mit multimodaler Schmerztherapie zu betreuen, weil so deutlich bessere Therapieerfolge möglich sind. Wir brauchen das für die Zukunft."

Likar geht noch weiter: Man benötige in der Schmerzbehandlung in den nächsten Jahren eine vertiefte Ausbildung, weil die Geißel Schmerz immer mehr Menschen heimsucht.

Harte Kritik

Während für Ärzte-Diplome in Sachen Akupunktur und Globuli alles da ist, fehlt die Umsetzung von Notwendigkeiten in der Schmerztherapie. Ein Aufnahmegespräch für Schmerzpatienten dauert eine Stunde, wenn man es ernst nimmt. Und für Mitarbeiter auf Schmerzkliniken ist eine bessere Ausbildung als das bestehende Schmerzdiplom erforderlich.

"Wir brauchen außerdem fixe, interdisziplinäre Schmerzkliniken." Auf der technischen Ebene könne man Schmerzpatienten in den nächsten Jahren auch besser helfen: "Wir haben neue invasive Sonden, die wir unter die Haut legen, um Nervenschmerzen zu lindern. Da wird nur noch eine Elektrode auf die Haut gelegt, die Impulse zur Aktivierung abgibt. Die Sonde selbst spürt man gar nicht."

Dazu kommen diverse psychologische Methoden. Bei den Medikamenten herrsche "eher Stillstand".

Wichtig sei es, dass man chronischen Schmerzpatienten mehr Zeit gebe und "dass wir Schmerzpatienten anders behandeln", so Likar. Für den unspezifischen Rückenschmerz kenne man zum Beispiel einen Qualitätsstandard, den es einzuhalten gilt. Likar: "Dafür sind aber mehr personelle Ressourcen notwendig."