Depressionen sind in Österreich keine Seltenheit: Mehr als fünf Prozent der Menschen leiden hierzulande an dieser Erkrankung. Vermutlich dürfte auch die Dunkelziffer hoch sein – denn häufig werden depressive Störungen erst nach rund sieben Jahren diagnostiziert. Doch obwohl die Erkrankung viele Menschen betrifft, weiß man noch wenig darüber, was der Symptomatik biologisch gesehen zugrunde liegt.

Ein wenig Licht ins Dunkel möchte nun auch eine aktuelle Studie der Universität Innsbruck bringen. Eine Forschungsgruppe rund um Alexander Karabatsiakis hat den Zusammenhang zwischen der Schwere einer Depression und dem Gehalt des Stresshormons Cortisol in Haaren beobachtet. Laut dem Forschungsteam könnte die Messung des Haarcortisolspiegels einen wichtigen Ansatz für personalisierte Medizin und auch in der Suizidprävention darstellen, die bei schweren Depressionen sehr wichtig ist. Die Ergebnisse der Studie wurden im EPMA Journal für prädiktive, präventive und personalisierte Medizin veröffentlicht.

Wann Cortisol verstärkt ausgeschüttet wird 

Doch was genau ist Cortisol eigentlich? Dabei handelt es sich um ein Stresshormon, das in der Nebennierenrinde produziert und in entsprechenden Situationen vermehrt ausgeschüttet wird. Das hat evolutionär gesehen große Wichtigkeit und hilft dem Menschen etwa in gefährlichen Situationen adäquat zu reagieren. Ist Cortisol in ausreichendem Maß im Blut vorhanden, merken das bestimmte Rezeptoren. Daraufhin stoppt die Nebennierenrinde die Produktion von weiterem Cortisol. Liegt eine Depression vor, wird das Hormon verstärkt ausgeschüttet – der Körper befindet sich im Dauerstress.

Wird Cortisol verstärkt ausgeschüttet, wird es auch in den Haaren gespeichert und kann dort nachgewiesen werden. Einige vorhergehenden Studien konnten bereits zeigen, dass Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, einen erhöhten Cortisolspiegel in den Haaren aufwiesen.

Ergebnis der Studie

Im Rahmen der Studie der Universität Innsbruck wurde nun ein Vergleich herangezogen: Haarproben von Menschen, die durch Suizid verstarben, wurden mit Haarproben von Menschen mit und ohne Depression verglichen. Es zeigte sich: Die durch Suizid verstorbenen Menschen wiesen im Vergleich einen stark erhöhten Cortisolspiegel auf. "Unsere Biomarker-Forschung untersucht, wie psychische Belastungen und psychiatrische Erkrankungen an körperliche und psychosomatische Komplikationen gekoppelt sind", sagt Karabatsiakis. "Unsere neuen Beobachtungen dazu könnten für die Prävention von psychischen Erkrankungen nach Stressbelastungen und deren langfristigen Konsequenzen, auch für die körperliche Gesundheit, sehr hilfreich sein."

Die Studie erweitert damit die biologische Perspektive auf psychische Erkrankungen. "Der Cortisolspiegel im Haar steigt mit der subjektiv empfundenen Schwere der depressiven Symptome", erklärt Karabatsiakis. "Je länger man sich zudem depressiv fühlt, desto aktiver ist wohl also auch die Stressantwort unseres Körpers. Allerdings braucht es für die individuelle Einschätzung von Belastung und Risiko noch weitere Forschung und Erfahrungswerte, da wir in dieser ersten Studie eine relativ kleine Anzahl an Personen untersucht haben."

Weil die Entnahme von Haarproben kaum belastend sei und einfach durchgeführt werden kann, könnte die Messung des Haarcortisolspiegels einen wichtigen Ansatz für personalisierte Medizin und auch in der Suizidprävention darstellen. Wenn beispielsweise der Hausärzte messen könnten, dass sich ein hormonelles Stresspotenzial im Körper abzeichnet, könne man eventuell auch bei psychisch stark belasteten Personen ein potenzielles Suizidrisiko erkennen, argumentieren die Forscherinnen und Forscher. Weitere Studien sind allerdings notwendig.