Der Stich in den Finger, um den Blutzuckerspiegel zu messen. Nur zu fixen Uhrzeiten Mahlzeiten zu sich nehmen, um die Insulinversorgung ausgeglichen gewährleisten zu können. Das ist ein Bild von Diabetes mellitus, das Lily Cheng als antiquiert bezeichnet. Bei ihr wurde die Diagnose Typ-1-Diabetes gestellt – bei dieser Autoimmunerkrankung produziert der Körper kein oder zu wenig Insulin. Seit rund 20 Jahren leidet die Grazerin darunter.

Wobei leiden das falsche Wort ist, wenn man über Cheng und Diabetes spricht. "Ich empfinde keine Einschränkung", sagt die 41-Jährige. Sie trägt zum Glucose-Monitoring einen Sensor am Körper, ebenso wird sie von einer Insulinpumpe unterstützt. Beides ist mit dem Smartphone gekoppelt, so kann sie ständig die essenziellen Werte überblicken. "Ich muss nur eintragen, was ich zu mir nehme und die App macht den Rest."

Die künstliche Bauchspeicheldrüse

Die Kombination kontinuierlicher Glukosemessung (CGM) und moderner Insulinpumpen wird auch als "Automatisiertes Insulindosierungssystem", "Closed Loop System" oder "künstliche Bauchspeicheldrüse" bezeichnet, denn eigentlich ist dieses Organ für die Produktion des Insulins verantwortlich. Dabei handelt es sich um ein körpereigenes, lebenswichtiges Hormon. Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes wird kein Insulin produziert. Mit den zeitgemäßen Medizinprodukten gehören fixe Essenszeiten und der regelmäßige Stich in den Finger der Vergangenheit an.

Julia Mader, Diabetes-Spezialistin an der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie des Universitätsklinikums Graz, sieht das ähnlich wie ihre Patientin. Sie bezeichnet Diabetes mittlerweile eher als chronischen Zustand. "Wir sind so weit, dass wir den Leuten ein normales Leben ermöglichen können." So normal, dass man zum Profisportler werden kann. Erst vor Kurzem hat Tennis-Olympiasieger Alexander Zverev öffentlich gemacht, dass bei ihm seit seiner Kindheit ein Typ-1-Diabetes besteht.

Wie Diabetes behandelt wird

Aber, ohne Behandlung bzw. Therapie geht es nicht. Ohne Insulin kann der Zucker im Blut nicht genutzt werden, sammelt sich an – und das kann eine Reihe von gesundheitlichen Folgen haben. "Chronisch erhöhte Zuckerwerte können zu Nervenschädigungen führen", so Mader. Dies kann das Schmerzgefühl beeinträchtigen, auch die Netzhaut kann bis zur Erblindung angegriffen und Blutgefäße geschädigt werden, dies erhöht das Herzinfarkt-Risiko.

In Österreich leben rund 800.000 Menschen mit Diabetes. Etwa fünf Prozent entfallen auf Typ-1-, 95 Prozent auf Typ-2-Diabetes. Letzterer tritt oft, aber nicht ausschließlich, im Alter auf. Änderungen im Lebensstil können helfen, Typ 2 vorzubeugen. Alles, was man gemeinhin als "gesunden Lebenswandel" bezeichnet, kann hilfreich sein: ausgewogene Ernährung, kein Übergewicht, regelmäßige Bewegung und nicht rauchen.

Menschen, die gerade die Diagnose Diabetes mellitus erhalten haben, rät Lily Cheng: "Nehmen Sie mit Betroffenen Kontakt auf, vernetzen Sie sich, tauschen Sie sich aus. Das hilft nicht nur im Umgang mit Diabetes, man merkt auch, dass man nicht alleine ist."